Historische Putzweisen auf WDVS
- Erstellt: 15. August 2016

In Ausbau + Fassade (Ausgabe 10/12, S. 21) wurde bemängelt, dass die regionale und handwerkliche Vielfalt von historischen Putzfassaden bei Renovierungen durch Wärmedämm-Verbundsysteme verloren geht. Dadurch werde das Stadtbild durch »uniforme Einheitsfassaden« geprägt [1]. Dass dies nicht der Fall sein muss, wird durch den folgenden Beitrag belegt.
Seit Anfang der 1960er-Jahre kommen Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) im Wohnungsbau zur Anwendung. Zunächst wurden diese skeptisch beurteilt, denn eine Außendämmung aus einem weichen Dämmstoff mit einer Beschichtung von nur einigen Millimetern Dicke – damals zunächst als »Thermohaut« bezeichnet – erschien für den Wohnungsbau wegen der Verletzlichkeit riskant und widersprach dem Gesichtspunkt der »Stabilität« und Dauerhaftigkeit eines Bauwerks. Schließlich galt seit Jahrhunderten eine massive Gebäudewand als der Inbegriff der Sicherheit und Geborgenheit. Das Dämmsystem kam auch zunächst nur in fensterlosen Industriebauten zur Anwendung. Bald wurde es aber auch zur Dämmung von Wohnbauten verwendet, bei Dämmschichtdicken von wenigen Zentimetern. Viele Untersuchungen wurden in den vergangenen Jahrzehnten sowohl im Labor als auch an ausgeführten Bauten durchgeführt, welche die ursprünglichen Bedenken entschärften. Nach der Energiekrise erwies sich dieses Dämmsystem als wirtschaftliche Maßnahme, um den Wärmeschutz von bestehenden Bauten zu verbessern. Aber auch bei Neubauten kommt das Dämmsystem zunehmend zur Anwendung [2], [3].
Entwicklung von WDV-Systemen
Da WDV-Systeme bei Anwendungsbeginn gegen keine bestehende Baunorm verstoßen haben und da man bei den leichten Dämmplatten und dünnen Putzschichten bei einem Crash-Fall keine »Gefahr für Leib und Leben« befürchten musste, war lange Zeit keine bauaufsichtliche Zulassung erforderlich. Erst seit der Verwendung schwererer Dämmschichten sowie dickerer Putze und hinsichtlich der »Europäischen Harmonisierung« ist seit 1993 eine »Europäische Technische Zulassung« erforderlich. Aber schon vor der Erfordernis einer Zulassung wurde von Seiten der Anbieter von WDV-Systemen darauf hingewiesen, stets »im System« zu bleiben, das heißt nur die erforderlichen Einzelprodukte einer Firma zu verwenden, die aufeinander abgestimmt und erprobt sind und für die eine Garantie übernommen werden kann. Bei der späteren Zulassung wurden die von den Firmen geforderten Systemelemente wie Kleber, Dämmstoff, Verdübelung sowie Armierungsputz mit Gewebeart und Oberputz aufgeführt.
Erprobung auf dem Versuchsgelände
Im Sommer 1997 wurden auf der Nordwand eines ehemaligen Versuchsbaus auf dem Versuchsgelände Holzkirchen verschiedene historische Putzweisen aufgebracht (Bild 1). Die Anregung hierzu ging vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege aus, welches an einer Demonstration von historischen Putzen mit Werkmörteln interessiert war. Die Ausführung besorgte damals die Firma Colfirmit Rajasil (bis vor Kurzem BASF Wall Systems). Die aus verschiedenen Fassadenausführungen bestehende Wand im unmittelbaren Eingangsbereich des Instituts sollte dadurch etwas ansehnlicher werden. Untersuchungen waren nicht vorgesehen, der Hauptzweck war die Demonstration (Bild 1).
Um gleiche Untergrundverhältnisse für die aufzubringenden neuen Putze zu erhalten, wurde auf die bestehenden unterschiedlichen Fassadenflächen
ein WDV-System Heck aufgebracht nach Zulassung Nr. Z - 33.42-281 des Deutschen Instituts für Bautechnik
(6 cm EPS-Dämmplatten 15-040, geklebt, darauf 6 mm armierter Grundputz). Auf den erhärteten Unterputz wurden abschnittsweise die verschiedenen Oberputze appliziert.
Beschreibung und Darstellung
In den folgenden Bildern werden die verschiedenen Putzweisen im Detail dargestellt, in der Reihenfolge von links nach rechts (Bild 1), aufgenommen bei einem Sichtabstand von 1 bis 2 m mit Angabe des Kornbereichs der verwendeten Werktrockenmörtel. Es handelt sich generell um mineralisch gebundene Mörtel nach DIN EN 998-1 mit Nass-Auftragsmengen von 3.0 bis 25 kg/m² und Dicken zwischen 2 und 12 mm nach Zulassung, im Wesentlichen sogenannte Edelputze (EP). Die Fotos wurden im Herbst 2012 aufgenommen, somit nach einer Standzeit der Putze von 15 Jahren.
Zu bemängelnde Schäden sind nicht aufgetreten, lediglich einzelne be-grenzte Haarrisse, die aber nur bei allernächster Betrachtung zu sehen
sind (siehe zum Beispiel Bild 10).
Beurteilung und Folgerungen
Für das Langzeitverhalten eines WDV-Systems sind sowohl der dauerhafte Verbund zwischen Mauerwerk und Dämmschicht als auch zwischen Dämmschicht und Armierungsputz wichtig, wobei es in erster Linie auf das »Zusammenpassen« von Armierungsmörtel und Armierungsgewebe ankommt. Oberputz und Außenanstrich bestimmen die Fassadenansicht und können den Regenschutz erhöhen, sind aber für die Funktionsfähigkeit des WDV-Systems von sehr untergeordneter Bedeutung.
Üblicherweise angewandte Oberputze sind relativ dünn (in Kornstärke) und meist so strukturiert, dass keine geschlossene, homogene Schicht entsteht, die bei hygrothermischen Einflüssen von außen nachteilige Auswirkungen auf das Gesamtsystem zur Folge haben können, wie zum Beispiel unzulässige Spannungen. Das Gleiche gilt für dickere mineralische Putzschichten als Oberputz, sofern diese hinsichtlich Dicke beziehungsweise Flächengewicht und
E-Modul begrenzt sind. Die geringen Haarrisse im Nutenputz (Bild 10), die ausschließlich in den Nuten vorkommen, sind aufgrund der durch die Struktur bedingten Dickenunterschiede verständlich und nicht als Mangel zu bewerten.
Resümee
Für das Funktionieren eines WDV-Systems ist die Einhaltung technisch relevanter Eigenschaften der Systemkomponenten nach Zulassung wichtig. Die Oberputze können aber in erster Linie aus dem Gesichtspunkt der optischen Gestaltung der Fassade gewählt werden.
Im Rahmen der in den Zulassungen angegebenen Wertebereichen für Oberputze ist durchaus die Möglichkeit für verschiedene – auch historische – Varianten gegeben. Durch die Langzeitbeobachtungen an den beschriebenen historischen Putzweisen wird das beispielhaft bestätigt.
Dr.-Ing. Helmut Künzel, ehemaliger Leiter der Freiland-Versuchsstelle des Fraunhofer IBP, Holzkirchen
Cornelia Fitz, Gruppenleiterin Abteilung Hygrothermik im Fraunhofer-Institut, Holzkirchen
Literaturhinweise
[1] Bauch, K.-G.: Fassadengestaltung mit Putz. Ausbau + Fassade 10/2012, S. 21.
[2] Künzel, H.: Warum sich WDV-Systeme durchgesetzt haben. Bau-physik 20 (1998), H.1, S. 2 - 8.
[3] Künzel, H. M., Künzel, H. Sedbauer, K.: Hygrothermische Beanspruchung und Lebensdauer von Wärmedämm-Verbundsystemen. Bauphysik 28 (2006), H. 3, S. 153 - 163.
Abbildungen: BASF Wall Systems Ausgabe: 10/2013