01. Januar 2016

Alt und schön geblieben

Die Fassade scheint aus Naturstein zu sein. Doch ist sie aus Putz. Fast hätte sie dieses Charakteristikum durch einen Renovierungsanstrich verloren. Stuckateur Eric Bäbler besserte die Fehlstellen mit einem eingefärbten Mörtel aus.

Kennen Sie Steinputz? Dazu gibt es sogar einen Artikel im Internetlexikon Wikipedia. Als Beispiel wird ein Kaufhaus in Menden angeführt. Das Bild stammt aus dem Jahr 2009 und ist längst nicht mehr aktuell. Denn Eric Bäbler hat mit seinem Stuckateurgeschäft Paul Bäbler im vergangenen Jahr die Steinputzfassade denkmalgerecht restauriert – mit einem eingefärbten Mörtel. Ein Farbanstrich hätte der
Fassade ihre Anmutung genommen.
Bei dem Objekt handelt es sich um das älteste Kaufhaus in Menden. Es steht an der Hauptstraße und gehört heute zu den Geschäften des Bekleidungs­unternehmens Sinn Leffers. Der Mode­filialist hatte in den vergangenen Jahren schwere Zeiten durchgemacht. 2008 wurde der Insolvenzantrag gestellt. Nach Abschluss des Verfahrens 2009 ging es wieder aufwärts und es wurde wieder Gewinn gemacht. Im Januar 2013 erwarb dann die Familie Wöhrl die Anteile.
In dieser Phase der Konsolidierung wurde die Renovierung der Fassade der Niederlassung in Menden beschlossen. Im Frühjahr 2012 begann die Planung und Ausschreibung für die Arbeiten an der Fassade. Das Haus sollte aufgewertet werden und wieder sein repräsentatives Äußeres erhalten.

Ausgezeichnetes Denkmal
Das Ziel, das Prestige und Renommee des Gebäudes zu erhöhen, ist gelungen. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) zeichnete das Kaufhaus als Denkmal des Monats Februar 2013 aus. Vor allem der Erhalt und die Rekonstruktion der Stein­putz­fassade durch den Stuckateur Bäbler aus Hagen kam gut an. »Glücklicherweise wurde während der fast 100-jährigen Geschichte des Kaufhauses mit all seinen Veränderungen und Modernisierungen die Fassade nicht überstrichen. So ist der Steinputz mit seiner besonderen Oberflächen­wirkung erhalten geblieben. Auch bei der Renovierung im vergangenen Jahr ist es gelungen, den Steinputz ohne ­Beschichtungen mit seinem authentischen Erscheinungsbild zu erhalten«, lobt LWL-Denkmalpflegerin Danae ­Votteler.
Stuckateur Bäbler sollte zunächst die Fehlstellen und Schäden an den Fassaden ausbessern. Der alte Putz war noch in gutem Zustand. Aber 100 Jahre ­hatten ihre Spuren hinterlassen. »Ausgebrochene Kanten, Befestigungen für Werbebanner und Weihnachtsdekora­tion, sogar Einschusslöcher aus dem Krieg fanden wir vor«, berichtet Bäbler und zählt weiter auf: »Außerdem waren die Abdeckbleche am Dach und an den Gesimsen schadhaft. Dadurch lief Wasser in die Fassade. An manchen Stellen lagen Eisen blank. Ausbruchstellen mussten bis zu 22 cm aufgefüllt werden.« Der Bauherr gab den Kostenrahmen für die gesamten Sanierungsmaßnahmen vor. Außerdem mussten die
Arbeiten bis zur Adventszeit 2012 für das Weihnachtsgeschäft abgeschlossen sein.
Schon bald nach der Vergabe der Renovierungsarbeiten erfuhren die Denkmalbehörden davon und waren auf den Plan gerufen. Trotz seiner deutlichen Qualitäten war das Objekt nicht in der Denkmalliste der Stadt Menden verzeichnet gewesen.

Typische Fassade für Kaufhäuser um die Jahrhundertwende
Die ersten Pläne für das Gebäude entstanden Ende des 19. Jahrhunderts. Der Kölner Architekt Carl Moritz schloss den Bau gegen 1914 ab. Die Fassade kann als typische Kaufhausarchitektur ihrer Zeit gelten: Die Gestaltungsmittel erinnern an Säulen nach antikem Vorbild. Außerdem sind geometrische Ornamente und florale Formen zu finden. Die Fassade und deren Dekor wirken so, als ob sie mit Natursteinen bearbeitet worden wären. Doch der Schein trügt. Die Fassade ist aus Putz. Die feinen Nuten in den glatten Flächen täuschen Stein­fugen vor.
Der Architekt nutzte für die Kaufhausfassade den Ende des 19. Jahrhunderts entwickelten Steinputz. Dieser Putz ist nicht, wie beim traditionell hergestellten Kalkputz üblich, für Anstriche entwickelt worden. Mit dem Stein- oder Zementputz konnte durch steinmetzmäßige Bearbeitung Naturstein imitiert werden. »In der Zeit ab 1910 bis in die 1930er-Jahre war diese Technik sehr verbreitet«, schreibt Danae Votteler. »Heute treffen wir Steinputzfassaden häufig mit Anstrichen an, die dem ursprünglichen Putz seine optische Tiefe und Materialität und den Gebäuden ihr ›steinernes‹ Erscheinungsbild nehmen.«
Innerhalb von kurzer Zeit war die Fassade des Kaufhauses unter Denkmalschutz gestellt. Das hatte Konsequenzen für die Stuckarbeiten. In Rück­sprache mit dem Bauherren und dem koordinierenden Objektmanager wurde die Fassadenrenovierung auf den Denkmalschutz ausgerichtet: Auf einen Anstrich wurde verzichtet. Stattdessen sollten nach einer gründlichen Reinigung die Fehlstellen und Ausbrüche an den Gesimsen mit farblich angepasstem Mörtel ausgeglichen werden. »Dazu
waren Putzmuster notwendig. Wir ­haben einen Trassmörtel der Schwenk Putztechnik als Basis benutzt. Örtlich wurde dann mit abgestuften unterschiedlichen Zement- und zusätzlichen Sandzugaben laut vorher angelegten Proben die Changierungen nachgestellt«, so Bäbler. Die Ausbesserungs­arbeiten sind noch an den Farbunterschieden zu erkennen. Bäbler rechnet mit rund zwei Jahren, bis sich die Farbtöne von Alt und Neu angleichen.
Das Objekt bleibt den beteiligten Unternehmern in guter Erinnerung. Die verschiedenen Gewerke trafen sich wöchentlich zur Baube­sprechung. Alle Probleme kamen dabei auf den Tisch. »Wir gingen alle äußerst konstruktiv und lösungsorientiert vor, um trotz der geänderten Anforderungen den eng
gesteckten Zeit- und Kostenrahmen einzuhalten«, so Eric Bäbler.

pd

Weitere Informationen zum Objekt und zum Steinputz sind im Internet unter www.lwl.org und www.baufachinformation.de vom Fraunhofer Institut unter dem Suchbegriff »Steinputz« zu finden.

Abbildungen: Dolt, Bäbler                                                   Ausgabe: 10/2013