Kapillaraktiv und diffusionsfähig
- Erstellt: 15. August 2016

Wegen Schimmel an mehreren Stellen wurde ein Kindergarten mustergültig baubiologisch saniert. Diffusionsfähige, kapillaraktive Dämmungen optimieren nun die Wärmebrücken. Mineralische und alkalische Materialien bilden schimmelwidrige Oberflächen. Ergänzend reduziert eine Lüftungsanlage die CO2- und Feuchtebelastung.
Um 1890 wurde im schwäbischen Kirchenkirnberg eine Dorfschule mit Lehrerwohnung gebaut. Die Außenwände des Erd- und Obergeschosses sind aus massivem Sandstein, die des zweiten Obergeschosses als verputztes Fachwerk errichtet. 1973 erfolgte der Umbau zum Kindergarten und der Anbau eines Treppenhauses mit Betondecken auf der Ostseite. Seit 2002 wurde energetisch saniert – diese Arbeiten blieben aber Stückwerk. Die Fenster wurden seit 2007 stockweise erneuert, der Boden des ungeheizten Dachraums mit EPS- und Holzfaserplatten gedämmt. Falsche Materialien und eine durch den Fensterwechsel stark reduzierte Fugenlüftung beschleunigten den Schimmelbefall.
Hilfreiche Energieberatung
Bereits im April 2009 wurde ein Energieausweis und ein umfassender Thermografiebericht durch den Energieberater und Baubiologen Rolf Canters erstellt. Er arbeitete auch konkrete Sanierungsempfehlungen aus. Auf den erstellten Thermogrammen war deutlich zu sehen, dass auch über die augenscheinlich gedämmte oberste Geschossdecke merklich Wärme verloren ging. Die Betondecken und Außenecken des Treppenhausanbaus von 1973 zeigten sich als die am schlechtesten gedämmten Bauteile. Die außen vorspringenden Wandscheiben wirkten geradezu als Kühlrippe.
Schimmelpilzbefall
Bei der Vor-Ort Begehung wurden an unterschiedlichen Wärmebrücken Schimmelpilze gefunden. Diese wuchsen etwa im Arbeitszimmer der Kindergartenleiterin sogar in den Heizkörpernischen. Im Keller unter dem nur tagsüber genutzten Zimmer befindet sich die Waschküche. Da ihre Fenster überwiegend in Kippstellung verblieben, entwich hier die Wärme und verstärkte die Auskühlung der Betondecke zum Arbeitszimmer. Auch die Ecken an den innen sehr kalten Betonteilen des Anbaus waren verschimmelt. Durch die Fenstererneuerung war zudem die Fugenlüftung reduziert worden. Aufgrund der nun ungenügenden Lüftung kam es auch in dem Gruppenraum für 25 Kinder zu Schimmelbefall. Zweimal wurde er vergeblich saniert. Zum Einsatz kam eine handelsübliche, organische Farbe, die schimmelanfällig war. Beschleunigt wurde der letzte Befall durch eine Plastikkiste. Sie stand während einer Ferienwoche an der Innenseite der Außenwand, so dass deren kunststoffdispersionshaltige Oberfläche schimmelte. Bei der Materialanalyse des Baubiologen fand sich ein normales Befallsbild feuchteliebender Pilzarten. Hoch toxische Pilze wurden zum Glück nicht gefunden. Für die Gesunderhaltung von Kindern und Erzieherinnen war es jedoch notwendig, den Schimmelbefall ohne Fungizide zu sanieren.
Falsche Materialien
Die Arbeiter des zuständigen Bauhofs waren auf die ausschließliche Verwendung von reinmineralischen, alkalischen Produkten für die Oberflächen hingewiesen worden. Dennoch sollte die Farbe vom örtlichen Baustoffhändler, »die sonst immer verwendet wird«, eingesetzt werden. Auf Anfrage von Rolf Canters beim Verkäufer und Hersteller nach den technischen Inhaltsstoffen, stellte sich heraus, dass diese Farbe reichlich organische Bestandteile enthält und deswegen zur Schimmelsanierung ungeeignet ist. Ein Neubefall wäre unter den gegebenen bauphysikalischen Umständen unvermeidlich gewesen. In der Folge entfernte ein erfahrener Baubiologe und Stuckateur den Schimmel mit Abschottung der Arbeitsbereiche und abschließender Feinreinigung. Er arbeitete ausschließlich mit feuchtepuffernden, alkalischen Materialien. Um Feuchtespitzen besser auszugleichen, wurden auch Teile der Tapete mit sperrenden Acrylatfarben im Nordgang des Erdgeschosses durch diffusionsoffene Kalk- und Lehmputze ersetzt.
Mineralische Dämmung
Zudem galt es, die Wärmebrücken als schwerwiegende Ursachen dauerhaft zu entschärfen. Aus Kostengründen schied ein Vollwärmeschutz von außen aus. Stattdessen wurden die Wärmebrücken durch diffusionsfähige, kapillaraktive Innendämmungen und Zellulose optimiert. Die nur 50 cm starken Sandsteinwände des großen Gruppenraums für die Kinder im ersten Obergeschoss wurde innen mit 12 cm einer porosierten Calziumsilikatplatte gedämmt. Zur Schimmelsanierung wären schlanke 5 bis 6 cm ausreichend gewesen, doch die Bauherrschaft wollte die Vorgaben der neusten EnEV einhalten. Für eine kindgerechte Anmutung wurden die Fensterleibungen abgerundet.
Der Farbton der neuen, reinmineralischen, pigmentierten Oberputze und Anstriche wurde mit den Erzieherinnen und dem Träger des Kindergartens festgelegt. Die kalte Außenwand auf der Nordseite des Erdgeschosses wurde aus Platzgründen innen mit 8 cm dicken Calziumsilikatplatten und einem hochwertigen reinmineralischen Dämmputz gedämmt. Auch die Kellerdecke wurde reinmineralisch gedämmt. Die Betondecken und Zwischenpodeste des Treppenhausanbaus wurden auf ihrer Unterseite mit magnesitgebundenen Holzwolleplatten gedämmt. Durch ihre offene Oberfläche verbessern sie auch die akustische Dämpfung erheblich. Deshalb erhielten auch die Wände beim Eingang diese Platten, die zusätzlich als Pinnwand genutzt werden.
Zellulosedämmung
Zur Sanierung der oberen Geschossdecke wurde Zellulose eingeblasen. Offene Durchbrüche wurden mit Brandschutzmörtel geschlossen. Die Dachfläche über dem Treppenhausanbau erhielt eine Zwischensparrendämmung aus Zellulose und eine neue, innen liegende, luftdichte Ebene aus Dampfbremspappe. Auch der Kniestock wurde mit Zellulose ausgeblasen. Bei den Leibungen im Treppenhaus war wegen des Erhalts der alten Holzfenster und der Natursteinbeläge wenig Platz. Diese Wärmebrücken optimieren zirka 2 cm Wärmedämmputz mit abschließendem durchgefärbtem Kalk-Feinputz. Der Einbau verschiedener Lüftungsgeräte rundet die Maßnahmen ab und verbessert die Luftqualität: So erhielt der große Gruppenraum eine dezentrale Kompaktlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Ihre kurzen Leitungen sind hygienisch vorteilhaft. Zudem wurden dezentrale Kleinlüfter mit Feuchtesensor in allen Sanitärräumen eingebaut. Mittels eines zusätzlichen Fühlers im Treppenhaus können durch das vergrößerte und nun motorgesteuerte Entrauchungsfenster zudem Feuchtigkeit abgeführt und Schäden vorgebeugt werden.
Große Wirkung
Für nur 107000 Euro Bausumme wurde bei dieser baubiologischen Sanierung sehr viel erreicht: Der Energieverbrauch wurde um etwa 40 Prozent reduziert, der Schimmel wurde nachhaltig saniert. Die mineralischen Materialien wurden bauphysikalisch optimal eingesetzt. Sie lassen eine lange, schadensfreie Nutzungsdauer erwarten.
Achim Pilz
Fachjournalist
Abbildungen: Canters Ausgabe: Sonderheft/2013