01. Januar 2016

Mit Putz ertüchtigen

Brandschutz im Bestand ist eine Herausforderung. Selten sind die Einbaubedingungen ideal. Der Beitrag beleuchtet, in welchem Maße brandschutztechnische Ertüchtigungen bestehender Bauteile mit nachträglichen Putzbeschichtungen möglich sind.

Der Brandschutz nimmt im Baurecht eine überragende Rolle ein: Eine Brand­entstehung soll so weit möglich vermieden, die Brand- und Rauchausbreitung im Brandfall behindert, die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten ermöglicht werden. Diese grundlegenden Schutzziele des Brandschutzes gilt es auch bei bestehenden Gebäuden zu erreichen, unabhängig
davon, ob im Einzelfall tatsächlich alles normenkonform oder vorschriftsgemäß und dazu noch wirtschaftlich tragbar erfüllt werden kann. In welchem Maße sind brandschutztechnische Ertüchtigungen bestehender Bauteile mit nachträglichen Putzbeschichtungen möglich?

Aussagen eines Brandschutzkonzeptes: Was ist für den Ausführenden wichtig?
Für jedes Gebäude wird während des Baugenehmigungsverfahrens ein bauordnungsrechtlicher Nachweis zum Brandschutz geführt. Darin wird festgehalten, ob und in welcher Art und Weise den Anforderungen des Landesbaurechtes entsprochen wird und ob sich davon abweichende Tatbestände ergeben. Bei größeren Gebäuden und Sonderbauten – insbesondere bei bestehenden Bauwerken – werden von der Genehmigungsbehörde in der Regel so genannte Brandschutzkonzepte verlangt. Die konkreten brandschutztechnischen Schutzziele eines Brandschutzkonzeptes für ein Bestandsgebäude basieren auf den Eigenschaften der vorhandenen Bauteile und auf den gewollten Nutzungen. Das darauf abgestimmte Brandschutzkonzept ermittelt den im jeweiligen Fall notwendigen vorbeugenden und abwehrenden Brandschutz. Deswegen ist es nicht allein ausreichend, sich als Ausführender von Brandschutzmaßnahmen an einem Gebäude lediglich mit den Vorgaben des Landesbaurechts und gegebenenfalls den flankierend dazu gültigen Sonderbauvorschriften zu beschäftigen. Im Einzelfall haben die jeweiligen konkreten Vorgaben des vorgenannten Brandschutzkonzeptes den Vorrang und definieren sowohl höhere als auch niedrigere Anforderungen, denen entsprochen werden muss. Deswegen ist es für den Ausführenden – vor allem dann, wenn seitens des Bauherrn auf eine weiterführende Ausführungsplanung beziehungsweise die Erstellung von passenden Ausschreibungsunterlagen verzichtet wird – unbedingt wichtig, dieses Brandschutzkonzept vor der Leis­tungserbringung einzusehen, um die erforderlichen Randbedingungen zu erkennen und einer mangelhaften Ausführung einer Leistung entgehen zu können. Zumeist liegen einem Brandschutzkonzept auch visuelle Darstellungen der Anforderungen an die jeweiligen Bauteile bei, die in tabellarischer Form durch konkrete Aussagen oder Erläuterungen ergänzt werden.

Mögliche Auswirkungen von Mängeln auf den Brandschutz
Eine mangelhafte Ausführung von Brandschutzmaßnahmen kann bei ­einem Brandfall zu erheblichen Schäden führen, die im schlimmsten Fall sogar das Leben und die Gesundheit von Menschen beeinträchtigen oder sich
negativ auf die natürlichen Lebensgrundlagen auswirken. Deswegen sind an die ordnungsgemäße Ausführung
aller Maßnahmen des Brandschutzes besonders hohe Anforderungen zu stellen, was sich in den zu erbringenden Übereinstimmungsnachweisen des Errichters (oder des »Nachrüstenden«) entsprechender Bauteile ausdrückt, die laut der jeweiligen Landesbauordnung für alle brandschutztechnisch relevanten Teile eines Gebäudes gemäß der Bauregelliste A Teil 1 oder gemäß der gültigen allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (abZ) beziehungsweise dem allgemein bauaufsichtlich Prüfzeugnis (abP) vorzulegen sind.
Wegen der möglichen erheblichen Schadensfolge im Ernstfall sind insbesondere die Randbedingungen der jeweiligen abZ oder des abP einzuhalten, was beim Bauen im Bestand häufig zu Fragestellungen führt. Auf der Grundlage dieser Verwendbarkeitsnachweise hat der Errichter einer baulichen Brandschutzmaßnahme zum Abschluss seiner Leistungen eine Übereinstimmungs­erklärung zu erbringen, mit der er bestätigt, dass die entsprechende Leistung exakt nach den Vorgaben des jeweiligen Verwendbarkeitsnachweises (siehe Abbildung 3) ausgeführt wurde und maximal eine nicht wesentliche Abweichung von dieser vorliegt. Bereits eine nicht korrekt ausgefüllte Übereinstimmungserklärung ist somit ein Mangel an der Leistung, auch wenn dieser nicht automatisch zu einem Schaden führen muss. Eine verschwiegene Abweichung der ausgeführten Leistung von dem Verwendbarkeitsnachweis wird zudem aus juristischer Sicht nicht selten als Betrugsversuch angesehen, denn der Bauherr muss sich ohne weitere Kontrolle der Ausführung auf die Erklärung des Errichters verlassen können.

Richtige Beurteilung von Anforderungen in Ausschreibungen
Die Aufgabe der Objektplanung für eine bauliche Anlage ist es, die für die Ausführung notwendigen Aussagen des Brandschutzkonzeptes beziehungsweise des Brandschutznachweises in die Ausführungsplanung zu übernehmen. Dem folgend haben dann auch die Ausschreibungsunterlagen sowohl die Randbedingungen als auch die geforderten Leis­tungen für die Ausführung der jeweiligen Brandschutzmaßnahme zu beschreiben. Dabei ist es unerheblich, ob nach dem Landesbaurecht gegebenenfalls nur eine niedrigere brandschutztechnische Anforderung an die konkret ausgeschriebene Leistung besteht, weil es sich dem Anbieter ohne Einsichtnahme in das vollständige, geprüfte Brandschutzkonzept nicht erschließen kann, ob es sich bei der betreffenden Maßnahme zum Beispiel um einen Ausgleich für eine an einer anderen Stelle der baulichen Anlage gewünschte Abweichung handelt. Somit haben die Anforderungen in den Ausschreibungsunterlagen den Vorrang vor den üblichen bauordnungsrechtlichen. Zu warnen ist auch vor einem Eingriff in das Brandschutzkonzept. Bei diesem handelt es sich um eine ganzheitliche Sicht auf alle Brandschutzmaßnahmen gleichermaßen: bauliche, anlagentechnische, organisatorische und die des abwehrenden Brandschutzes. Zu erkennen, ob eine abweichende Ausführung in einem Detailbereich nicht zuletzt Einfluss auf die vorgenannte ganzheitliche Planung hat, sollte dem Brandschutzsachverständigen, der das Konzept aufgestellt hat, vorbehalten bleiben, denn er ist es, der für eventuelle fehlerhafte Planungen haftet. Dazu können nach neuerer Rechtsprechung durchaus auch überflüssige Maßnahmen des Brandschutzes gehören.
Somit bliebe nur die Möglichkeit eines Nebenangebotes, mit der ein Anbieter auf eine gegebenenfalls günstigere
Lösung für die ausgeschriebene Brandschutzmaßnahme aufmerksam machen könnte, anderenfalls läuft der Ausführende sogar bereits damit Gefahr, an der Brandschutzplanung mitzuwirken und damit auch eine gemeinschuldnerische Haftung dafür zu übernehmen.
Fazit: Vorsicht vor Sondervorschlägen, wenn man nicht für die gesamte Brandschutzplanung verantwortlich gemacht werden möchte.

Regelungen zu Putzen mit und ohne Putzträger nach DIN 4102-4
In Abschnitt 3.1.6 von DIN 4102-4 sind Regelungen hinsichtlich des Brandschutzes zur Ausführung von Putzbeschichtungen auf verschiedenen Baukonstruktionen wie Decken, Wänden, Balken, Stützen und Trägern enthalten. Mit einer Putzbeschichtung kann je nach unterschiedlicher Dicke der notwendige Feuerwiderstand des Bauteils erreicht werden. Wenn eine Leistung in dieser Hinsicht pauschal ausgeschrieben wird, wie zum Beispiel »Ertüchtigung der Stahlbetondecke auf F90«, ist demzufolge die jeweils auf die Konstruktionsart zutreffende Tabelle von DIN 4102-4 einzusehen und die notwendige Dicke einer Putzbeschichtung zu ermitteln. Anhand dieser Angaben kann die erforderliche Putzdicke je nach gewählter Ausführungsart (Putz mit oder ohne Putzträger beziehungsweise auf Holzwolle-Leichtbauplatten) bestimmt werden. Zumeist wird dann auf die Werte gemäß Tabelle 1 verwiesen.
Für Putzbeschichtungen sind besonders die Vorgaben der Abschnitte 3.1.6.3 bis 3.1.6.5 von DIN 4102-4 zu beachten. In diesen werden gesondert immer die konkreten Anforderungen an Putze ohne Putzträger, Putze mit Putzträger und an brandschutztechnisch geeignete Dämmputze aufgeführt. So ist bei Putzen ohne Putzgrund die ausreichende Haftung zu gewährleisten, was nach DIN 4102-4 dann angenommen werden kann, wenn der Putzgrund DIN 18550-2 erfüllt, ein Spritzbewurf nach DIN 18550-2 aufgetragen wird und das zu beschichtende Bauteil den in Abschnitt 3.1.6.3 von DIN 4102-4 angegebenen Erfordernissen entspricht. Bei Putzen auf Putzträgern ist zu beachten, dass der Putzträger gemäß Abschnitt 3.1.6.4. von DIN 4102-4 ausreichend an zu
beschichtenden Bauteilen zu befestigen ist, die Spannweite der Putzträger £500 mm sein muss, die Stöße mit ­einer Überlappungsbreite von etwa 10 cm auszuführen sind, wobei die einzelnen Putzträgerbahnen mit Draht zu verrödeln sind, und der Putz die Putzträger mindestens 10 mm durchdringen muss. Die Anforderungen an aus brandschutztechnischer Sicht geeignete Dämmputze werden in Abschnitt 3.1.6.5 von DIN 4102-4 geregelt. Dort wird beschrieben, dass diese Putze stets auf Putzträger nach Abschnitt 3.1.6.4 aufzubringen sind und welchen Kriterien (Mischungsverhältnissen) diese Putze zu entsprechen haben (Anmerkung: Der normative Bezug erfolgt in DIN 4102-4 noch auf DIN 18550-2 in der Normfassung vom Januar 1985).
Außerdem sind Putzbekleidungen auf Holzwolle-Leichtbauplatten möglich, wenn diese Putzträger mindestens der Baustoffklasse B zugeordnet werden können, die Ausführung mit dichten Stößen erfolgt und die Befestigungs­kriterien nach Abschnitt 3.1.6.6 gemäß DIN 4102-4 eingehalten werden.

Prüfungen von Untergründen und notwendige Vorbereitungen
Bei bestehenden Gebäuden sind insbesondere die in der Örtlichkeit tatsächlich vorhandenen Einbaubedingungen abzuklären. Anders als bei einem Neubau kann man bei Bestandsgebäuden nur selten davon ausgehen, dass die Bedingungen ideal sind und mit den Angaben der Herstellerrichtlinien vollständig korrespondieren. Daher ist es vor dem Abschluss eines Bauvertrages zu brandschutztechnischen Nachrüstungen im Bestand notwendig, die prinzipielle Durchführbarkeit der gewünschten
Arbeiten zu prüfen. Wenn eine Realisierung nicht entsprechend zum Beispiel den gültigen Regelungen nach DIN 4102-4 möglich ist oder die Randbedingungen erheblich von den einzuhaltenden Herstellervorgaben abweichen, ist unbedingt schriftlich darauf hinzuweisen, ansonsten droht bereits in dieser Phase eine zukünftige Auseinandersetzung, die sich zur Abnahme nicht mehr vermeiden lässt.

Erforderliche Dokumentation der Arbeiten
Die aus brandschutztechnischer Sicht wesentlichen Bauteile in Bestandsgebäuden haben oftmals nicht den Feuerwiderstand heutiger Anforderungen. Wenn dadurch eine reale Gefahren­situation entsteht, sind diese Bauteile nach den im Brandschutznachweis für das Gebäude beschriebenen Anforderungen nachzurüsten. Da von diesen Maßnahmen im konkreten Fall das
Leben vieler Nutzer eines Gebäudes abhängen kann, sind die Anforderungen sowohl an die Qualitätssicherung der Ausführung als auch an die Dokumentation gemäß den Herstellervorschriften entsprechend hoch. Wegen schwieriger Bestandsbedingungen, mangelhafter Planung und nicht auskömmlicher Objektüberwachung, aber auch der Unwissenheit der Ausführenden kommt es bei Abnahmen solcher Leistungen immer wieder zu gravierenden Problemen.
Ein ganz entscheidendes Kriterium für eine erfolgreiche Abnahme der erläuterten brandschutztechnischen Nachrüs­tungsmaßnahmen ist es, die Vorgaben der jeweiligen allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung beziehungsweise des allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses vollständig einzuhalten. Das betrifft insbesondere die Übergabe einer ordnungsgemäß ausgefüllten Übereinstimmungserklärung und bei Bedarf zusätzlich von Protokollen durchgeführter Bestandsuntersuchungen und Baustellenmessungen bei brandschutztechnischen Beschichtungen. Es genügt nicht, lediglich eine Kopie des jeweiligen Prüfzeugnisses oder der betreffenden Zulassung zu übergeben. Diese Dokumente regeln nur die Einbauvorschriften, können aber nichts über die Durchführung der tatsächlich ausgeführten Arbeiten einschließlich gegebenenfalls erforderlicher Abweichungen von diesen Regeln aussagen. Spätestens beim Ausfüllen der erforderlichen Dokumente stellt es sich heraus, wenn nicht alle Bedingungen eingehalten wurden. Dann kann die Sachlage nur noch in Zusammenarbeit mit dem Systemhersteller über eine gegebenenfalls nicht erhebliche Abweichung besprochen oder bei einer ­wesentlichen Abweichung mit einer nachträglichen Abweichung »geheilt« werden. Aber das sollte wirklich die letzte Möglichkeit bleiben.

Literatur
[1] DIN 4102, Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen, Teil 1: Baustoffe; Begriffe, Anforderungen und Prüfungen, Mai 1998, Teil 4: Zusammenstellung und Anwendung klassifizierter Baustoffe, Bauteile und Sonderbauteile, März 1994

Abbildungen: Geburtig                                                                                                                              Ausgabe: 3/2012