01. Januar 2016

Wo der Rat tagt

Bauen im Bestand ist zu einer der wichtigsten Aufgaben der zeitgenössischen Architektur geworden. Das Stuttgarter Büro LRO versteht sich auf diese Kunst: In Brackenheim erhielt das barocke Rathaus ein modernes Pendant mit beeindruckender Akustik.

Das Stuttgarter Architekturbüro Lederer + Ragnarsdóttir + Oei (kurz LRO) ist ­bekannt für seinen ausgesprochen ­behutsamen Umgang mit vorhandenen Bau- und Stadtstrukturen. Dies haben die Planer einmal mehr in Brackenheim bewiesen, wo sie die Erweiterung des Rathauses konzipierten. Der Neubau, bestehend aus einem Langhaus und ­einem transparenten Zwischenbau, der zum barocken Rathaus überleitet, nimmt die Maßstäblichkeit, die Bau­formen und Materialien der Umgebung auf – und dennoch formt sich daraus ein Neubaukomplex, der klar als solcher erkennbar ist, sich aber wie selbstverständlich in die Stadt einfügt. Das sogenannte Langhaus mit seinem zweischaligen, geschlämmten Massivmauerwerk bietet Platz für die zuvor in der ganzen Stadt verstreuten Verwaltungsbüros, während der Verbindungstrakt im Erdgeschoss das Bürgerbüro und im Obergeschoss den Sitzungssaal des ­Gemeinderates beherbergt. Letzterer ist so angelegt, dass er multifunktional nutzbar ist, also nicht nur dem Rat eine adäquate Umgebung bietet.

Lasierte Decke als Lichtreflektor
Seine besondere Qualität bezieht der Sitzungssaal aus seiner gläsernen ­Fassade und aus der spannungsreichen Deckenkonstruktion aus Holz, die von außen nach innen übergeht. Zahlreiche große Lamellen gliedern die Raumdecke quer zur Raumachse, das Dach hebt sich in der Mitte zur besseren Belichtung des Raumes. Während die Pfosten der Glasfassade in ihrer Holzoptik ­unverändert blieben, erhielt die Decke eine lasierende Beschichtung in Weiß – damit lässt sie einerseits ihre eigent­liche Materialität erkennen, andererseits wird sie optisch leichter und passt sich dem weißen Farbkanon des ­Gesamt-Interiors an.
Als Beschichtungsmaterial wählte die Maler Koos GmbH die mittelschichtige Alkydharz-Lasur Capadur F7 von ­Caparol, die sich auch für maßhaltige Außenbauteile eignet. So schützt die aromatenfreie Lasur einerseits die außenliegenden Holzelemente des ­Daches vor der Witterung und verleiht der Saaldecke im Inneren ein homo­genes Erscheinungsbild. Ausschlag­gebend dafür ist die problemlose ­flächige Verarbeitungsfähigkeit – schließlich sind die einzelnen Deckenfelder mehrere Quadratmeter groß und dienen als Reflektoren für die indirekte Saalbeleuchtung. Das erforderte eine möglichst gleichmäßige Lasierung und Weißtönung.

Weiß in allen Bereichen
Weiß dominiert auch alle anderen ­Bereiche der Gebäude – im Treppenhaus, in den Erschließungsfluren, den Büroräumen und auch im Bürgerbüro. Sämtliche Wandfarben, emissionsminimierte und lösemittelfreie Dispersionsmaterialien lieferte Caparol. Wichtig war die Dauerhaftigkeit und die par­tielle Ausbesserungsfähigkeit der Oberflächen – zwei Anforderungen, die sich durch die ganze Gebäudeplanung und -ausstattung ziehen.

Akustikoptimierung ohne Abhängung
Das Thema Akustik war ein nicht ­minder wichtiger Teil der gesamten ­Planung. Besonderes Augenmerk galt dem Bürgerbüro, weil hier auch bei starker Besucherfrequenz die Diskretion an den Schaltern und Beratungstischen gewahrt sein musste. Statt die konventionelle Lösung einer abgehängten Decke zu wählen, griffen die Planer nach dem System »Capa ­Coustic Fine«, dessen hochporöse und nichtbrennbare Mineralfaserplatten vom Brackenheimer Stuckateurbetrieb Morlok direkt auf die Rohdecke verklebt ­wurden. »Im Vergleich zu einer um 20 bis 30 Zentimeter abgehängten Decke kommen wir auf nur vier Zentimeter Aufbauhöhe«, erklärt Carsten Tümpner, der die Planer als Caparol-Experte ­beriet. »Das reduziert die Rohbaudeckenhöhe und damit die ­Rohbaukosten.«

Überzeugende Schallabsorption
Die Oberfläche des Systems ist extrem fein strukturiert: Die dispersionsgebundene Putzbeschichtung weist eine Korngröße von nur 0,7 Millimeter auf. »Damit ­haben wir eine ästhetische und akus­tisch aktive Oberfläche erreicht. Ein weiterer Vorteil ist, dass Capa ­Coustic Fine nicht wie andere Systeme ­einen Deckenhohlraum benötigt, was die ­Gefahr einer Durchströmung und oberflächigen Schmutzanreicherung beinhaltet und dennoch in punkto Schallabsorption überzeugt«, so ­Tümpner. Diese Kombination macht Capa Coustic Fine zu einem ­System, das Ästhetik, Brandschutz und Akustik zusammenführt.

Abbildungen: 1-3: Braun; 4: Morlok                                                                                     Ausgabe: 5/2013