01. Januar 2016

Alle Register gezogen

Bei der Komplettsanierung eines Wohnhauses in Ravensburg wurde der Stuckateur mit der Fassadendämmung beauftragt. Doch weitere Kompetenzen im Ausbau waren gefragt. Eberhard Ruetz von der Haussmann GmbH überzeugte den Bauherren von den Vorteilen einer Klimadecke. Die komplette Decke inklusive der Heizregister baute der Stuckateur ein.

Der Bauherr war zunächst skeptisch. Sollte er tatsächlich in die Wohnungsdecke eine Heizung einbauen lassen, wie der Stuckateur es ihm vorschlug? Das gleiche System, das im Winter die Wärme ins Heim bringt, soll während sommerlicher Hitzeperioden kühlen und für angenehme Temperaturen sorgen. Was ist mit der Behaglichkeit? Wird es in der Kopfzone nicht zu heiß oder zu kalt, während es gleichzeitig an den Füßen zu kalt ist?
Eberhard Ruetz, Geschäftsführer der Haussmann GmbH in Weingarten, muss­te Überzeugungsarbeit leisten. Um es vorwegzunehmen: Ein Jahr nach Abschluss der Baumaßnahme haben sich die Bedenken als unbegründet erwiesen.

Zurück zum Rohbau
Das Reiheneckhaus in Ravensburg stammt aus den 1970er-Jahren und wurde lange Jahre von einem Groß­elternteil des heutigen Besitzers bewohnt. 2010 fand der Besitzerwechsel statt – das war die Gelegenheit, das in die Jahre gekommene Wohnhaus den heutigen Anforderungen und Bedürfnissen anzupassen. Der Bauherr war bereit, viel in das Objekt zu investieren. Es sollte auf dem aktuellen Stand der Technik sein. Letzten Endes entsprachen die Baukosten fast denen eines Neubaus. Die Sanierung war so umfassend, dass das
Gebäude zu Beginn der Baumaßnahmen bis auf den Rohbau zurückgebaut wurde.
Zunächst sollte mehr Wohnraum geschaffen werden. Dies geschah durch eine Anhebung eines Teils des Dachgeschosses. Zudem erhielt das Erdgeschoss einen Anbau, der dank großer Fensterflächen sehr hell und freundlich wirkt. Durch diese Maßnahme stieg die Wohnfläche auf 150 Quadratmeter.
Auch die energetische Situation und die Heiztechnik mussten auf den aktuellen Stand gebracht werden. Die Fassade erhielt ein Wärmedämm-Verbundsystem mit 16 cm EPS-Platten. Die neuen Fenster sind dreifach verglast.

Fußbodenheizung oder Klimadecke?
Zunächst war daran gedacht, eine Fußbodenheizung einzubauen. Gleichzeitig war im Erdgeschoss, unter der Holzbalkendecke, eine abgehängte Decke vorgesehen. Es stellte sich aber heraus, dass wegen der zu geringen Raumhöhe beides nicht zu realisieren war. Als bei einer Baubesprechung während der Rohbauphase dieses Problem offenbar wurde, brachte Eberhard Ruetz vom Stuckateurbetrieb Hauss­mann die Klimadecke ins Gespräch. Der Bauherr war kritisch und äußerte die Besorgnis, mit einer Deckenheizung einen »heißen Kopf« zu bekommen. Diese Bedenken lösten sich dann aber auf, als Ruetz die Begehung eines Referenzobjektes organisierte. Der Bauherr fand Vertrauen in die vorgeschlagene Deckenlösung. ­Damit ergab sich ein weiterer Vorteil. Die Decken-Flächenheizung wurde mit einem Solar-Eis-System kombiniert – einer sehr energieeffizienten Lösung für das Heizen und Kühlen. Dabei leiten Kollektoren auf dem Dach die Sonnenenergie in einen unterirdischen Speicher aus Eis. Die Energie kann dann zum Heizen genutzt werden – oder im umgekehrten Fall die Kälte zum Kühlen. Dabei wird die Kristallisationswärme des Eises genutzt. Verändert das Wasser den Aggregatzustand von flüssig zu fest, wird dafür viel Energie benötigt oder freigesetzt. Diese Eigenschaft macht Wassereis zu einem Energiespeicher mit hoher Kapazität.
Nachdem die Entscheidung für eine ­Klimadecke gefallen war, war der nächs­te Schritt die richtige Planung. Hierfür wurde ein Heizungsplaner mit einbe­zogen. Seine Aufgabe war es, die Belegungsdichte zu definieren und die Gesamtrohrlänge vorzugeben. Die ­komplette Decke inklusive der Heizregister baute der Stuckateurbetrieb ein. Auch die Registerplanung kam von der Hauss­mann GmbH.
Der Heizungsbauer stellte lediglich die Verteiler bereit. Bei dem verwendeten System kann ein Heizkreis aus einer Leitung mit einer Maximallänge von 80 Metern bestehen. Bei größeren Räumen werden damit bis zu vier Heizkreise notwendig.
Neben der Verlegung der Heizrohre führte der Stuckateurbetrieb die aus dem Trockenbau bekannten Arbeiten aus. Die Unterkonstruktion entspricht der einer abgehängten Decke. Die Profile nehmen die Heizrohre auf. Darauf kommt die Beplankung aus Gipsplatten. Das Stuckateurunternehmen hatte schon früher Erfahrungen mit Klimadecken gemacht, aber der Komplett­einbau eines Heiz- und Kühlsystems in einem Wohnhaus war eine Premiere.

Ein Jahr Erfahrung
Das System ist seit Oktober 2010 in Betrieb. Es liegt also schon ein Jahr Erfahrung vor, sowohl für den Heiz- als auch für den Kühlbetrieb. Der Bauherr favorisierte zunächst die Fußbodenheizung, weil damit eine Barfußläufigkeit zu erwarten war. Aber auch mit der Deckenheizung gibt es keine kalten Füße, denn die Strahlungswärme erwärmt alle Gegenstände – auch den Boden. Die Sorgen, mit der unbekannten und recht neuen Technologie an Behaglichkeit einzubüßen, haben sich als unbegründet erwiesen. Jeder Raum lässt sich individuell steuern. Auch die Raumtemperierung bei hohen Außentemperaturen funktionierte. Während einer Hitze­periode im Juli 2011 trat der Kühlfall ein. Mit dem Eis im Speicher konnten die Wohnräume angenehm klimatisiert werden.
Das Solar-Eis-System und die Klimadecke stellten zwar einen nicht unerheblichen Teil der Gesamtkosten dar. Im Zusammenspiel mit der Wärmedämmung kommt aber das modernisierte Reihenhaus mit wenig Energie aus. Laut Energieausweis werden nicht einmal 4000 kWh im Jahr fürs Heizen benötigt.
pd