01. Januar 2016

Mit eingebauter Nachhaltigkeit

Gips-Wandbauplatten haben historisch betrachtet einen erfolgreichen Weg ­hinter sich und eine vielversprechende Zukunft vor sich. Mit klassischen ­Tugenden bleiben sie auch im modernen, nachhaltigen Bauen am Puls der Zeit.

Vor mehr als 125 Jahren ­begründete ­eine einfache Idee den trockenen Ausbau mit Gips. Statt wie bisher Gips­mörtel auf nassem Wege als Innenwand zu errichten – oftmals mit Einlagen aus Schilf- oder Bambusrohr – sollte der Baustoff als bereits fertig konfektionierter, trockener Wandbildner zur Baustelle gebracht werden.  Was damals, wenn auch im kleinen Maßstab, mit der ­sogenannten Gipsdiele ­begann, wird heute als eine eigenständige und ­geregelte Systembauweise ­betrachtet: der massive Trockenbau mit Gips-Wandbauplatten.
Der massive Trockenbau verbindet die technischen und wirtschaftlichen ­Vorteile von zwei sonst als unvereinbar ­geltenden Welten: Ähnlich wie im Trockenbau fördern Gips-Wandbau­platten den wirtschaftlich-schnellen, weil weitgehend wasserfreien Ausbau, da die hochglatten Ansichtsflächen der Wände nach dem Fugenverschluss ­keinen zusätzlichen Putz benötigen.

Widerstandsfähige Bauteile
Die Konstruktion muss dadurch nicht über Wochen austrocknen, was bei verputzten Massivbaustoffen in der Regel der Fall ist. Allerdings entstehen – dem ­Massivbau verwandt – ­widerstands­fähige, werthal­tige Bauteile mit einem über die Fläche und im Querschnitt homogenen Aufbau. Mit einem besonderen Vorteil: Aus der raumbildenden Konstruktion resultieren vergleichsweise geringe flächenbezogene Massen ­sowie ein geringerer Flächenverbrauch, denn die gewünschten Wandstärken ent­sprechen im Grunde ­bereits den 60, 80 und 100 mm schlanken Elementen. ­Solide Massivwand und zeitsparender Trockenbau sind mit Gips-Wandbauplatten damit nicht länger ein ­Entweder-­oder, sondern ein Sowohl-als-auch.
Die Trennwände verbinden beide ­Bauweisen zur Leis­tungsklasse des ­massiven Trockenbaus, der mit DIN 4103-2 nicht nur über eine eigene ­Normung verfügt, sondern mit der ­Güte-gemeinschaft Massiver Trockenbau auch über eine unabhängige ­Qualitäts-überwachung der aus­führenden Fachunternehmen.  Aus Gips-Wandbauplatten werden ­vorwiegend ein- und zweischalige Trennwände errichtet. Schachtwände, frei­stehende Vorsatzschalen oder ­Stützenbekleidungen ­erinnern zwar in Form und Funktion nicht unmittelbar an Trennwände, sie ­folgen aber in ihrer Ausführung ­zwingend deren normativen Anforderungen an Wandmaße, ­Wand­aufbau und den Wandanschluss. Besonders beim Anschluss an die ­tragenden Gebäude­teile zeigt das Bauen mit Gips-Wandbauplatten sein ­funktionales und ­modernes Gesicht.

Zeitgemäßer Schallschutz
Die Besonderheit im Hinblick auf den Schallschutz ist bei Gips-Wandbau­platten der elastische Anschluss an die angrenzenden Bauteile. Die Wände ­werden mit elastischen Randanschlussstreifen vom Boden, von der Decke und von den flankierenden Wänden ent­koppelt.
In einem umfangreichen AiF-­Forschungsprojekt (Umsetzung der ­europäischen Normen des baulichen Schallschutzes für das Bauen mit Gips-Wandbauplatten) wurde nachgewiesen, dass diese Ausführungsart die bauakus-tische Anregung der Bauteile untereinander und damit die Schall­weiterleitung über flankierende Bauteile deutlich reduziert. Es ergibt sich ein verbesserter Schallschutz für ­Wohnungstrennwände und Geschoss­decken, was speziell im mehrgeschossigen Wohnungsbau eine Ausführung auf zeitgemäßem Lärm- und Ruheschutz­niveau ermöglicht.

­Stoßstellendämmung
In dem Forschungsprojekt wurden durch zahlreiche Gebäude­messungen Stoßstellendämm-Maße für entkoppelte Gips-Massiv-Wände ermittelt. Dabei wurden die durch die Entkopplung der Wände höheren Stoßstellendämm-Maße als Verbesserung gegenüber dem ­Rechen­wert für einen starren Anschluss dokumentiert. Je nach Übertragungs­situation beträgt die Verbesserung der Stoß­stellendämmung dabei 2 bis 15 dB. Bei der Anwendung der Neufassung der DIN 4109 Schallschutz im Hochbau ­lässt sich diese Verbesserung des elas­tischen Bauteilanschlusses damit künftig auch rechnerisch berücksichtigen. Einen hohen Schutz gegen die Schall-längsleitung bieten 3 mm dicke Randanschlussstreifen aus PE-Schwerschaum oder bituminierte Randanschlussstreifen. In Verbindung mit ­einer neuen Generation von Gips-Wandbauplatten, der Schallschutzplatte R49, ­lässt sich ein Schalldämm-Maß RwP bis zu 49 dB erzielen. Trennwände aus Gips-Wandbauplatten liegen bei entsprechendem Aufbau damit im ­Bereich des erhöhten Schallschutz­niveaus nach Beiblatt 2 zu DIN 4109 für Wände ­innerhalb des eigenen Wohn­bereichs.

Umwelt-Produktdeklariert
Baustoffe, Bauteile und Gebäude ­müssen sich heute mehr denn je in ­einen zeitgemäßen Verantwortungs­rahmen gegenüber Gesellschaft, Mensch und Umwelt einfügen – also nicht nur technisch zuverlässig, sondern auch ­»politically correct«, sprich nachhaltig und wohngesund sein. Sowohl die Leis­tungseigenschaften des Rohstoffes Gips und die da­raus hergestellten Platten­elemente als auch die Performance der Gips-Massiv-Wände selbst versetzen Bauschaffende in die Lage, zur neuen Denkweise baupraktisch aufzuschließen und Gebäude in hoher ökologischer, ökonomischer und funktionaler Qualität zu ­errichten – zumindest was die nichttragenden Innenwände anbelangt.
Mit den Umwelt-Produkt­deklarationen von Gips-Wandbauplatten und ihrer gipsbasierten System­bestandteile liegen nachprüfbare Informationen über die Umweltleistungen auf Basis von Typ III-Umweltzeichen vor, mit dem die Produkt­lebenswege ganzheitlich ­betrachtet werden können. Durch das neue Instrument der Umwelt-Systemdekla­ration (ESD) werden sogar erstmalig die ­Umweltleis-tungen einer kompletten ­Systemwand aus Gips-Wandbauplatten transparent dargestellt. Mit der Veröffentlichung dieser Systemdaten sind für Investoren, Bau­herren und Planer vereinfachte Voraussetzungen für den Einsatz der Bauteile im zertifizierten Bauen gegeben, so zum Beispiel nach DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen) oder BNB (Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen) für Bundesgebäude.

Ist Gips – bleibt Gips
Ausgangspunkt für die ökologische ­Dimension von Gips-Massiv-Wänden ist der Rohstoff Calciumsulfat-Di­hyd­rat (CaSO4·2H2O, Gipsstein), der als Mineral im Tagebau und als industrielles ­Nebenprodukt bei der Energiegewinnung zur Verfügung steht. Der Rohstoff gibt in ­einem vergleichsweise energie­schonenden und emissionsarmen Brennprozess einen Teil seines kristallin gebundenen Wassers ab, wodurch das Halb­hydrat ­CaSO4·½H2O entsteht.
Bei der Herstellung von Gips-Wandbauplatten wirkt dieses Halbhydrat als ­Bindemittel, welches nach Wasser­zugabe wiederum vollständig als Gips vorliegt (CaSO4·2H2O) und so den Stoffkreislauf ­ohne eine chemische Ver­änderung des ursprünglichen Rohstoffs in der Nutzungsphase fortführt. Mit ­anderen Worten: Ist Gips – bleibt Gips! ­Diese zunächst ein­fache Erkenntnis ist von entscheidender Bedeutung: Durch das er­neute Brennen des bereits einmal genutzten Baustoffs lässt sich der Kreislauf vom Dihydrat zum Halb­hydrat zum Dihydrat quasi jederzeit erneut in Gang setzen. Gips-Wandbauplatten sind rein stofflich ­betrachtet unendlich recycelbar. Die Ressource wird nicht verbraucht, sondern nur ­gebraucht. ­Dieser seltene, ­nahezu geschlossene Stoffkreislauf unterscheidet Gips-Wandbauplatten von anderen Baustoffen. Da die ­Elemente allein mit Gips­kleber verbunden werden und für den Wandaufbau keine rohstofffremden Konstruk­tionsmittel ­erforderlich sind, kann für den Rückbau eine ­hohe ­Sortenreinheit mit entsprechend hoher Wiederverwertung angenommen ­werden.

Lange Nutzungsdauer
Die Dauerhaftigkeit von Baustoffen und Bauteilen verlängert die Lebensdauer von ­Gebäuden und trägt zu einer Reduzierung der Kosten für Instandhaltung und Erneuerung bei. Was für den Rohstoff Gips im Chemischen gilt, ist auch auf Bauteile aus Gips-Wandbauplatten im Physischen anwendbar. Denn Bau­teile aus dem massiven Baustoff sind robust, verrottungsfest und alterungs­beständig – auch bei Anwendung in ­Bereichen mit ­üblicher Luftfeuchte, ein­schließlich Küchen und ­Bäder.
Die Nutzungsdauer von Gips-Wandbauplatten ist technisch nicht begrenzt. Im ­Gegensatz zu anderen In­nenwänden sind sie quasi ­unendlich ­reparierfähig. Schadstellen können – ohne Qualitätseinbußen in Querschnitt und Fläche – baustoffidentisch geschlossen werden. Die Nutzungsdauer von Gips-Wandbau­platten wird nach BNB-Tabelle mit ­aktuell 50 Jahren und mehr angegeben.

Fred Fischer,
Geschäftsleitung Vertrieb der VG-Orth GmbH und Obmann Industriegruppe Gips-Wandbauplatten im Bundesverband der Gips­industrie e.V. 

Abbildungen: VG Orth Multi Gips                                                                                              Ausgabe: 5/2012