Haus und Kraftwerk inklusive
- Erstellt: 02. August 2016

Ein Wohnhaus in Leonberg kombiniert erneuerbare Energieerzeugung und Wohngesundheit und bietet so Lösungsansätze für drängende Zukunftsfragen.
Im Trockenbaubereich wurden neuartige Gipsfaserplatten verwendet.
In Leonberg bei Stuttgart entstand vor Kurzem ein Einfamilienhaus, das über ein eigenes kleines Kraftwerk weitgehend unabhängig vom öffentlichen Stromnetz ist und nicht nur den Eigenbedarf abdeckt, sondern darüber hinaus genügend Strom zum Betrieb von zwei Elektromobilen produziert. Möglich wird dies durch die Kombination von Gebäudetechnik und Baustoffen, die dem neuesten Stand der Forschung entsprechen. Steigende Strompreise, hohe Ausgaben für Heizung und Warmwasser sowie teures Benzin — Tanja Fisch kann das nicht mehr erschrecken, denn sie ist Selbstversorger. Das Haus, das sie mit ihrem Mann und zwei Kindern bezogen hat, produziert rund 50 Prozent mehr Strom, als es insgesamt für die Raumheizung, Warmwasser, Beleuchtung, Lüftung, Informations- und Kommunikationstechnik sowie für den Betrieb von Haushaltsgeräten benötigt. Der über diesen Eigenbedarf hinaus produzierte Strom wird weitgehend für das Aufladen eines Elektroautos und eines E-Rollers eingesetzt. Lediglich eine geringe Menge der selbst produzierten Energie wird nicht genutzt und ins öffentliche Stromnetz eingespeist. Kommt es vor, dass die Familie mal mehr Strom benötigt, als das Haus produziert, kann das Defizit aus dem Netz gedeckt werden.
Forschung profitiert
Entwickelt wurde das Konzept, in dessen Mittelpunkt die Eigennutzung des solar erzeugten Stroms zur Entlastung des öffentlichen Netzes steht, von Prof. Dr.-Ing. M. Norbert Fisch. Er plante das Haus für seine Tochter nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen aus seiner Tätigkeit als Professor am Institut für Gebäude- und Solartechnik an der TU Braunschweig. Zudem nutzt es der Energiedesigner für Forschungszwecke: Das Gebäude ist mit entsprechender Mess- und Gebäudeleittechnik ausgestattet, die systematisch Werte zur wissenschaftlichen Auswertung unter realen Nutzungsbedingungen liefert. Die Ergebnisse fließen in die weitere Forschung ein.
Die Lage und Ausrichtung des von dem Architektenbüro Berschneider und Berschneider für ein rund 900 m² großes Hanggrundstück entworfenen Gebäudes entsprechen dem energetischen Anspruch. Während die Nord-, West- und Ostseite des schlichten, von einem Pultdach gekrönten Kubus nur durch wenige Fenster gegliedert werden, öffnet sich die Südseite mit einer großzügigen Fensterfront zum Tal hin. Dahinter ist der Wohnbereich des Einfamilienhauses angeordnet, das insgesamt über eine Wohnfläche von 267 m² verfügt.
Im Erdgeschoss liegen die raumhoch verglasten Kinderzimmer sowie ein Gästezimmer, im Obergeschoss befindet sich hier der großzügige, durchgehende Wohn-, Ess- und Kochbereich. Nebenräume wie die Badezimmer, der Wirtschafts- und Haustechnikraum, aber auch das Elternschlafzimmer befinden sich auf der Nordseite im rückwärtigen Teil des Gebäudes.
Kompakter Kubus
Errichtet wurde das Haus in Massivbauweise mit einem 20 cm dicken Wärmedämm-Verbundsystem. Die hochwärmedämmende Gebäudehülle sorgt für den notwendigen Wärmeschutz ebenso wie die Dreifachverglasung der Fenster. Beim Bau wurde besonders auf eine wärmebrückenreduzierte und luftdichte Ausführung geachtet, um Wärmeverluste über die Außenbauteile weitgehend zu reduzieren.
Lüftungswärmeverluste minimiert der Einsatz einer kontrollierten Lüftung. Eine elektrische Wärmepumpe mit Erdsonden, die 100 Meter tief in die Erde gebohrt wurden, sorgt für Heizwärme. Über einen 800 Liter fassenden Pufferspeicher ist die Fußbodenheizung und die Trinkwasserversorgung angebunden. Entscheidend für den optischen Eindruck des Hauses ist das Pultdach mit 17 Grad Neigung, das die Schlichtheit des kompakten Kubus zusätzlich unterstreicht. Die rund 120 m² große Fläche ist fast vollständig mit einer 15-Kilowatt-Peak-Photovoltaik-Anlage und einer etwa 7 m² großen solarthermischen Kollektoranlage belegt. Das Dach ist mit 22 cm Mineralfaser und 5 cm extrudiertem Polystyrol-Hartschaum gedämmt. Der raumseitige Abschluss erfolgte in Trockenbauweise mit Fermacell Greenline Gipsfaser-Platten. Insgesamt erreicht die Dachkonstruktion einen U-Wert von 0,12 W/(m²K).
Wohngesundheit
»Da die hohen Ansprüche, die für uns bei der Konzeption des Hauses maßgebend waren, auch das Thema Wohngesundheit betreffen«, so Professor Fisch, »haben wir uns entschieden, den Trockenbau mit Fermacell Greenline auszuführen.« Damit kam nicht nur für die Haustechnik, sondern auch für den Innenausbau ein Produkt zum Einsatz, das dem neuesten Stand der Forschung entspricht. Die Neuentwicklung des Duisburger Herstellers von Gipsfaser-Platten bindet über eine spezielle beidseitige Beschichtung mit einem natürlichen Wirkstoff, der auch in der Schafwolle vorkommt, Schadstoffe wie Formaldehyd aus der Raumluft. Der Wirkstoff ist dauerhaft aktiv, auch unter Endbeschichtungen wie Anstrichen, Tapeten und Teppichen. Allerdings gilt: Je höher die Diffusionsoffenheit des Oberbelags ist, um so schneller die ist Wirkung.
Der Wirkmechanismus wurde im Rahmen von umfangreichen Testserien unter anderem durch das unabhängige Eco-Institut in Köln geprüft und bestätigt. Messungen bei Bauvorhaben, die in regelmäßigen Abständen und unter gleichen Bedingungen durchgeführt wurden, zeigten, dass nach Abschluss der Trockenbauarbeiten mit Greenline die Schadstoff-Werte aus der Raumluft kontinuierlich sinken.
Der Wirkmechanismus
Verantwortlich für diesen Effekt ist ein spezifisches Molekulargemisch auf Keratinbasis, das in Form einer beidseitigen Grundierung der Fermacell-Platten Anwendung findet und ideal darauf abgestimmt ist. »Keratin«, so Frank Bode, der als Produktmanager entscheidend an der Entwicklung von Fermacell Greenline beteiligt war, »ist ein wichtiger Bestandteil der Schafwolle. Aus langjährigen Erfahrungen mit Schafwoll-Produkten im Baubereich wissen wir von der positiven und lang anhaltenden Wirkung.«
Das Wirkprinzip ist sehr einfach: Im ersten Schritt lagern sich Schadstoffmoleküle wie Aldehyde und Ketone an der Oberfläche lose an (Physisorption, reversibel), um dann – auch durch Oberbeläge hindurch – in tiefere Schichten einzudringen (Diffusion), wo sie dauerhaft chemisch gebunden und umgewandelt werden (Chemisorption, irreversibel). Daher gibt Greenline die aufgenommenen Schadstoffe bei großer Hitze, hoher Luftfeuchtigkeit und einem hohen Luftwechsel nicht wieder an die Raumluft ab. Da die Schadstoffe dauerhaft abgebaut werden, sind Fermacell greenline Gipsfaser-Platten im Rahmen der Durchführung späterer Umbaumaßnahmen als unbedenklicher Baustoff zu betrachten.
Befestigung mit Klammern
Raumseitig wurde die gesamte Deckenfläche mit Fermacell Greenline beplankt. Die Montage der großformatigen Platten (12,5 mm x 3000 x 1250 mm) erfolgte auf einer Holz-Unterkonstruktion. Die Verarbeitung verlief wie bei klassischen Gipsfaser-Platten: Sie konnten ohne Spezialwerkzeuge durch Ritzen, Brechen, Sägen, Fräsen oder Bohren bearbeitet werden und wurden auf der Holz-Unterkonstruktion einfach und zeitsparend mit Klammern befestigt. Für die Fugen kam die Systemkomponente Fermacell Greenline Fugenkleber zum Einsatz. Der Kleber ist kennzeichnungsfrei und muss nicht mit dem R40-Satz »Verdacht auf krebserzeugende Wirkung« gekennzeichnet sein. Die Decke wurde abschließend mit einem diffusionsoffenen Spachtel bearbeitet. Auch im Fußbodenbereich kam Fermacell Greenline als Trockenestrich zum Einsatz. Die Bodenelemente bestehen aus einer doppelten Lage von 2 x 10 mm Greenline sowie einer 10 mm dicken Holzfaser-Kaschierung. Mit einer zulässigen Punktlast von bis zu 3,0 kN sind sie hoch belastbar. Die Verarbeitung erfolgte ebenfalls analog zu den Fermacell Estrich-Elementen mit dem zum System gehörenden, kennzeichnungsfreien Greenline Estrichkleber.
Große Stabilität
In bewährter Trockenbauweise wurden auch die Funktionsräume sowie das Bad im Erdgeschoss ausgebaut. Da hier jedoch mit erhöhter Feuchtigkeit zu rechnen war, entschloss sich der Bauherr für den Einsatz von Fermacell Powerpanel H2O. Die beidseitig mit einem alkaliresistenten Glasfasergewebe armierten Leichtbeton-Platten mit Sandwichstruktur sind diffusionsfähig (Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl von µ= 56), schimmelpilzresistent und vor allem widerstandsfähig gegen Wasser. Eine große Stabilität ermöglicht belastbare Konstruktionen, die den idealen Untergrund für Fliesen bilden und kratz- und schlagresistent sind. »Hier war uns die Feuchtigkeitsresistenz wichtig«, erklärt Professor Fisch die Wahl. »Die Platten passen grundsätzlich gut zu unserem wohngesunden Konzept, da sie durch ihre hohe Umweltverträglichkeit unsere Qualitätsanforderungen einwandfrei erfüllen.«
Gut ein Jahr wohnt Tanja Fisch jetzt bereits mit ihrer Familie in dem von ihrem Vater konzipierten Netto-Plus-energiegebäude und alle fühlen sich wohl. Mittlerweile liegen auch die ersten Verbrauchsergebnisse vor: Dem-nach lag der Stromverbrauch der Familie im vergangenen Jahr für den Gebäudebetrieb, die Wohnnutzung und die Elektromobilität bei zirka 9026 kWh/a, insgesamt produzierte das Haus eine Strommenge von 16274 kWh/a.
»Es macht einfach Spaß«, freut sich die zweifache Mutter, »so wenig Energie wie möglich zu verbrauchen.«
Fazit
Als Musterbeispiel für ganzheitliche Planung bietet das Netto-Plusenergiegebäude viele zukunftsweisende Lösungsansätze: Ein durchdachtes Energiekonzept wird kombiniert mit moderner Gebäudetechnik und wohngesunden Baustoffen und sorgt so für einen hohen Nutzerkomfort. Dabei kam mit Fermacell Greenline ein Baustoff zum Einsatz, der die Eigenschaft besitzt, auf natürliche Weise Schadstoffe wie Formaldehyd aus der Raumluft zu entfernen und dauerhaft in unschädliche Stoffe umzuwandeln. Die spezielle Gipsfaser-Platte sorgt für eine hohe Qualität der Innenraumluft.
Abbildungen: 1.-7. Spahn Ausgabe: 11/2012