Styropor mit neuem Flammschutzmittel
- Erstellt: 15. August 2016

Seit der Aufnahme des Flammschutzmittels HBCD in die Liste der persistent organic pollutants (POP) durch die Stockholmer Konvention Ende Mai 2013 wird in zahlreichen Pressemitteilungen das weltweite Verbot von HBCD in EPS-Hartschaum thematisiert. Interpretationen über die Folgen des Verbotes führen seitdem bei Bauherren und Handwerkern zu Irritationen und Verunsicherungen.
Die Industrie verfolgt schon seit der Aufnahme von HBCD in den REACh-Autorisierungsprozess im Jahr 2011 das Ziel, bis Mitte 2014 die Umstellung von HBCD durch das unbedenkliche Flammschutzmittel Polymer-FR durchzuführen. Somit erfüllen deutsche Hersteller von EPS-Hartschaum schon gut ein Jahr vor dem sogenannten »Sunset-Termin« der REACh-Verordnung, die als Ablaufdatum den 21. August 2015 vorsieht, zukünftige Technik-Standards. Das Flammschutzmittel Polymer-FR unterliegt nicht den Kriterien von REACh, da es nicht toxisch ist und nicht in Organismen angereichert wird. Schon jetzt sind EPS-Produkte mit Polymer-FR gleichberechtigt zu den herkömmlichen EPS-Produkten am Markt erhältlich. Die deutsche Industrie setzt alles daran, Verunsicherungen durch Aufklärung und Entwicklung ihrer EPS-Produkte zu verringern.
EPS-Hartschaum gilt als »nicht gefährlicher Abfall«
EPS in seiner Polymerstruktur mit HBCD ist als »nicht gefährlicher Abfall« beim Einbau und auch beim Rückbau eingestuft. Die Bezeichnung »Sondermüll« ist nicht mehr existent, nur noch die Einstufung in »gefährlich« und »nicht gefährlich«. Der Anteil von HBCD beträgt zirka 0,7 Gew.-%, der beim Herstellungsprozess in das Polymergerüst eingebettet wird. Aus wissenschaftlich-technischer Sicht stand bislang nur HBCD als wirksames Flammschutzmittel für den Einsatz in Polystyrolhartschäumen zur Verfügung, das die Schwerentflammbarkeit über die gesamte Lebensdauer des Dämmstoffes, also mindestens 50 Jahre, bescheinigen konnte. Zahlreiche Untersuchungen und Prüfungen der TU München, des Instituts für Bauphysik der Fraunhofergesellschaft und des Forschungsinstitutes für Wärmeschutz (FIW) belegen, dass HBCD weder ausgast noch ausgewaschen wird. Auch nach jahrzehntelangem Einsatz von sogenannten Geoblöcken im Straßenbau konnte nach Rückbau in den Sedimenten kein HBCD nachgewiesen werden. EPS-Hartschaum mit HBCD ist nicht gefährlich. Beim Einbau ist das Tragen von besonderer Schutzkleidung und Atemschutz nicht notwendig. Risiken für Mensch und Umwelt bestehen in der Verarbeitungs- und Nutzungsphase nicht. Es gibt keinen begründeten Anlass dafür, aufgrund von HBCD auf die Verwendung von Polystyrolhartschaum zu verzichten.
Polymer-FR als Ersatzstoff für HBCD
Im Rahmen langjähriger Forschungs- und Entwicklungsarbeiten ist es der Industrie gelungen, einen adäquaten Ersatzstoff zu finden, der für den Einsatz in EPS-Hartschäumen geeignet ist.
Dieses neue Flammschutzmittel ist im Sinne der europäischen REACh-Verordnung und der weltweiten POP-Liste der Stockholmer Konvention weder toxisch noch bioakkumulierbar. Von der Herstellung und Verwendung gehen keine Gefahren für Mensch und Umwelt aus. Die kontinuierliche Einführung dieses neuen Flammschutzmittels wird gemäß REACh europaweit spätestens im August 2015 abgeschlossen sein. Die deutsche EPS-Industrie hat den Austausch von HBCD gegen Polymer-FR ganz oben auf die Agenda gesetzt und strebt die Umsetzung bis Mitte 2014 zielgerichtet an. Die Entwicklung und der Aufbau von Produktkapazitäten und die hinreichende Versorgung mit Polymer-FR liegt in den Händen der Flammschutzmittelhersteller. Sie stehen in der Produktionskette noch vor den Rohstoffproduzenten, die die EPS-Industrie mit Rohstoff versorgen.
Keine Auswirkungen auf EPS beim Wechsel des Flammschutzmittels
Das neue Flammschutzmittel Polymer-FR hat einen Anteil von lediglich zirka 1 Gew.-%. Umfangreiche Prüfprogramme des Industrieverbandes Hartschaum
zusammen mit der europäischen Vereinigung der Polystyrolrohstoffproduzenten sowie dem Forschungsinstitut für Wärmeschutz (FIW) zeigten dem Deutschen Institut für Bautechnik, DIBt:
Die Substitution von HBCD durch das polymere Flammschutzmittel hat keinerlei Auswirkungen auf die wärmedämmenden und physikalischen Eigenschaften von Polystyrolhartschaum.
Das Brandverhalten von Polystyrolhartschaum mit Polymer-FR, dem neuen polymeren Flammschutzmittel, bleibt in voller Güte erhalten.
Klimaziele ohne EPS-Dämmstoff nicht möglich
In den vergangenen Jahrzehnten wurden in Deutschland rund 900 Millionen Quadratmeter Fassadenfläche durch Wärmedämm-Verbundsysteme energetisch ertüchtigt. EPS hat einen Anteil von zirka 32 Prozent am gesamten Dämmstoffmarkt. Bei den WDVS wird EPS zu rund 85 Prozent wegen seiner guten Dämmeigenschaften, der Anwendungsfreundlichkeit und dem guten Nutzen/Kosten-Verhältnis eingesetzt. Die Umweltproduktdeklaration auf der Basis vor ISO 14025 bescheinigt Polystyrolhartschaum zudem sehr gute ökologische Eigenschaften. EPS-Dämmstoffe sind aufgrund ihrer summarischen
Eigenschaften vielseitig einsetzbar.
Detaillierte Untersuchungen der TU München, durch Prof. Dr.-Ing. Gerd Hauser, zeigten auf, dass EPS-Dämmstoffe in Deutschland kurz- und mittelfristig nicht ersetzbar sind. Für das Erreichen der klimapolitischen Zielsetzung der Bundesregierung ist eine energetische Sanierung des Gebäudebestandes unverzichtbar. Ein Verzicht auf EPS-Dämmstoffe würde die gegenwärtigen Klimaziele in unerreichbare Ferne rücken.
Vollständige Vernichtung von HBCD durch thermische Verwertung
Bau- und Sanierungsmaßnahmen sind nicht auf Kurzfristigkeit angelegt – die Nutzungsphase von WDVS wird auf mindestens 40 Jahre veranschlagt. Untersuchungen zeigten während dieser Phase keinerlei Austreten von HBCD aus dem Polymergerüst. Fest steht aber auch, dass es ein End-of-Life-Stadium geben wird. Die Verwertung in der Nachnutzungsphase kann stofflich oder thermisch erfolgen. Ein sehr praxisnaher Weg ist die thermische Verwertung in Müllverbrennungsanlagen mit Energierückgewinnung. Nachdem ein Liter Erdöl in Form von EPS in einer 50- jährigen Nutzungsphase zirka 200 Liter Erdöl an Heizenergie eingespart hat, kann sein energetischer Inhalt nahezu vollständig in der Müllverbrennung genutzt werden. HBCD wird dabei rückstandsfrei vernichtet. Auf diesem Weg wird HBCD sukzessive und zuverlässig aus dem Umweltkreislauf ausgeschleust. Ein Verfahren, das erprobte und bewährte Praxis ist.
Das Fazit kann von daher nur lauten: Die Entscheidung bei der Auswahl der Dämmstoffe richtet sich nach den bekannten Kriterien: Anwendungsfreundlichkeit, Wirtschaftlichkeit, Ökologie, Wärmedämmeigenschaften und physikalische Eigenschaften. EPS besitzt für alle Anwendungen die Umweltproduktdeklaration nach ISO 14025, geprüft vom Institut Bauen und Umwelt.
Dr. Hartmut Schönell
IVH Industrieverband
Abbildungen: IVH Ausgabe: 11/2013