01. Januar 2016

Bedenken ausgeräumt

Eine Außendämmung ist unter bauphysikalischen Gesichtspunkten immer noch die sinnvollste Art zu dämmen. Doch gerade bei denkmalgeschützten Fassaden, Grenzbe­bauungen oder Teilmodernisierungen stellt die Innendämmung mittlerweile eine leistungsfähige Alternative dar. Der Autor stellt drei Systeme für unterschiedliche Anforderungen vor.

Die innenseitige Dämmung der Fassade hat gegen vielfältige Vorurteile anzu­kämpfen. Hierzu zählen hohe Raumverluste, mangelnde Befestigungsmöglichkeiten sowie gravierende Wärmebrücken. Hinzu kommt die Befürchtung, dass sich der Taupunkt in die Wand verlagert und sich dadurch schädliche Feuchtigkeit im Wand­aufbau sammelt. Nicht zuletzt herrschen Zweifel an der Leistungsfähigkeit zwecks Erfüllung der EnEV. Betrachtet man indes die heutzutage gängigen System­lösungen genauer, so lösen sich derartige Vorbehalte schnell in Wohlgefallen auf. Zwar ist eine moderne Innen­dämmung technisch immer noch anspruchsvoller als eine Außendämmung. Die Gefahr, Fehler zu machen, ist jedoch deutlich gesunken. So gibt es bei einer fachgerechten Ausführung keinerlei bauphysikalische Bedenken.

Gegen Schlagregen schützen
Zweifellos beeinflusst eine innenseitig angebrachte Wärmedämmung die Temperaturverhältnisse in der Wand. Da das Mauerwerk nicht mehr so stark von innen aufgeheizt wird, ist die Wand im Winter deutlich kälter. Damit einher­gehend ändern sich die Feuchteverhältnisse. Die Temperatur im Wandquerschnitt sinkt so weit, dass eindiffundierender Wasserdampf kondensieren kann – sprich: es bildet sich Tauwasser. Zudem trocknet die Wand nach Regenfällen langsamer aus, da von innen keine Wärme mehr geliefert wird. Ein ausreichender Schlagregenschutz der Außenfassade leistet hierbei Abhilfe. Insbesondere bei Westfassaden sollte dieser Schutz vor Beginn der Sanierungsmaßnahme gründlich geprüft werden. Gegebenenfalls sind Zusatzmaßnahmen erforderlich, wie das Aufbringen eines Anstrichsystems.

Die Auswahl des richtigen Systems
Die Möglichkeiten der Innendämmung sind heutzutage vielfältig. Sie reichen von der klassischen Ständerkonstruktion mit Dampfbremse bis hin zu modernen Verbundplatten-Systemen. Die verschiedenen Varianten unterscheiden sich hinsichtlich der Wärmeleitfähigkeit, des Diffusionswiderstandes sowie des Schall- und Brandschutzes. Entsprechend eignen sich nicht alle Systeme gleichermaßen für den jeweiligen Anwendungsfall. Beispielsweise ist in Räumen mit großer Feuchtebelastung – wie etwa Badezimmer oder Wellness­bereich – von diffusionsoffenen Lösungen abzuraten, da diese mitunter kein Gleichgewicht mehr zwischen ein- und ausdiffundierender Feuchtigkeit herstellen können. Die Systemübersicht bietet bei der Auswahl umfassende Unterstützung. Drei Systeme werden im Folgenden exemplarisch vorgestellt.

Mineralische Dämmung für optimales Raumklima
Wenn eine energetische Optimierung mit einer Verbesserung des Raumklimas einhergehen soll, ist ein diffusionsoffenes, vollmineralisches Innendämmsystem die beste Lösung. Ein solches System sorgt für einen dauerhaft ausgewogenen Feuchtehaushalt und wirkt gleichzeitig schimmelpilzhemmend. Es eignet sich zur Innendämmung von Außenwänden, Geschossdecken oder Fachwerk. Auch bei der Sanierung von Kellern nach einem Feuchte- oder Schimmelschaden hat ein mineralisches Innendämmsystem viele Vorteile.

Mineralschaum-Innendämmsysteme
bestehen aus einer Mineraldämmplatte, einem systemeigenen Klebe- und Armierungsmörtel sowie einer Oberbeschichtung. Da es sich um ein kapillar­aktives System handelt, kann auf eine zusätzliche Dampfsperre verzichtet werden. Alle Komponenten sind so eingestellt, dass eine bestimmte Menge Wasser­dampf in die Konstruktion eindiffundieren kann. Dies führt in der Winterperiode zu einer höheren Porenluftfeuchte am Übergang von Dämmplatte, Kleber und alter Wand. Das Wasser wird in Form von höherer Porenluftfeuchte sozusagen »geparkt«, bis es in der wärmeren Periode wieder nach innen in den Raum verdunsten kann. Man spricht bei diesen Vorgängen von einem Feuchtemanagement. Die ­Systeme sind so eingestellt, dass im Sommer mehr Feuchtigkeit verdunstet, als im Winter anfallen kann.
Die Verarbeitung der massiven und formstabilen Mineralschaum-Dämm­boards ist ähnlich komfortabel wie bei einem Wärmedämm-Verbundsystem. Zunächst wird der Kleber- und Armierungsmörtel vollflächig aufgetragen und durchgekämmt. Anschließend setzt man das Dämmboard an und schwimmt es mit leichtem Druck ein. Versatzstellen werden nach dem Abbinden mit dem Schleifbrett egalisiert. Der Auftrag der Armierungsschicht erfolgt vollflächig mit der Zahntraufel. Anschließend wird ein Armierungsgewebe eingelegt und ein mineralischer Oberputz, vorzugsweise als Kalk-Strukturspachtel oder Kalkputz, aufgebracht und strukturiert.

Dämmputz auf unebenen Untergründen
Obwohl seit Jahrzehnten bewährt, werden Dämmputzsysteme in den Auf­listungen gängiger Innendämmungen gerne vernachlässigt. Dämmputze sind mineralische, zementär gebundene Mörtel, die einen hohen Anteil kleiner Polystyrol-Kügelchen enthalten. Dadurch wird die Rohdichte und mit ihr die Wärmeleitfähigkeit deutlich gesenkt. Der große Vorteil von Dämmputzsystemen liegt darin, dass eine absolut lückenlose Dämmschicht hergestellt werden kann, die jegliche Konvektion sicher unterbindet. Sie werden vor allem bei der Komplettsanierung älterer oder denkmalgeschützter Gebäude eingesetzt, da mittels variabler Schichtdicken selbst größere Unebenheiten ausge­glichen werden können. Aufgrund der kapillaren Leitfähigkeit sowie der fugenlosen Ausführung sind Dämmschichten bis zu einer Dicke von 60 Millimetern ohne Nachweis möglich. Bei größeren Dicken sollten in jedem Fall feuchtetechnische Berechnungen, zum Beispiel mit dem WUFI-Verfahren, durchgeführt werden.

Mineralische Dämmputzsysteme bestehen aus einem wärmedämmenden Unterputz, einer Armierungsschicht sowie einem mineralischen Oberputz. Alle Systemkomponenten sind aufeinander abgestimmt und auf jedem verputzbaren Untergrund einsetzbar. Aufgrund des niedrigen E-Moduls wird eine hohe Entkopplung vom Putzgrund erreicht und somit die Anwendungssicherheit erhöht. Je nach Untergrundbeschaffenheit ist eine Vorbehandlung, wie zum Beispiel das Auskratzen schadhafter Fugen, notwendig. Anschließend wird – abhängig vom Untergrund – entweder ein Vorspritzmörtel oder eine Rillenspachtelung mit dem systemeigenen Klebe- und Armierungsmörtel auf die tragfähigen Altputzflächen aufgebracht. Nach entsprechender Standzeit wird der eigentliche Dämmputz je nach Schichtdicke ein- oder zweilagig aufgetragen. Der Auftrag der Armierungsschicht erfolgt nach einer weiteren Standzeit von einem Tag pro Zentimeter Dämmschichtdicke. Als Oberbeschichtung eignen sich mineralische Kalkputze.

Konkurrenzlos effizient: Vakuum-Isolationspaneele
Die neueste Errungenschaft im Bereich der Innendämmung sind Vakuum-Isolationspaneele, kurz VIP genannt. Sie werden vorwiegend dort eingesetzt, wo der Schwerpunkt auf besonders geringen Aufbaustärken liegt. Es handelt sich um mikroporöse Materialien, die unter Vakuum in eine gas- und luftdichte Folie eingeschweißt werden. Dadurch erreichen die Paneele einen Rekord­wärmeleitwert von 0,007 W/mK. Je nach Aufbau der bestehenden Wand können bereits bei einer Stärke von 30 Millimetern die Anforderungen der Energieeinsparverordnung erfüllt werden. Auch enge Heizkörpernischen, Fensterleibungen oder niedrige Kellerdecken lassen sich auf diese Weise effizient dämmen.
Die diffusionsdichten Verbundsysteme bestehen aus vollflächig verklebten Dämmelementen mit einer Endbeschichtung aus Putz oder Gipskarton-Bauplatten. Die Dämmelemente selbst bestehen aus Vakuum-Isolationspaneelen, die beidseitig XPS-kaschiert sind. Ein umlaufendes elastisches Dichtband an den Kanten verschließt die Stoß­fugen und minimiert Wärmebrücken.
Dieser XPS-Rand kann problemlos geschnitten und gedübelt werden, ohne den isolierenden Vakuumkern zu zerstören. Restflächen, Tür- und Fensterleibungen werden beispielsweise mit XPS oder speziellen, schneidbaren Leibungsplatten ausgeglichen.
Die Innendämmung mit Vakuum-Isolationspaneelen erfordert eine sorgfältige Untergrundvorbereitung. Unebenheiten über 0,5 Zentimeter müssen vor dem Verkleben der Platten mit einem Ausgleichsputz egalisiert werden. Für eine flexible Verlegung stehen VIPs in verschiedenen Abmessungen zur Ver­fügung, die ähnlich einem herkömmlichen WDVS verarbeitet werden. Die Verklebung erfolgt mit einem Klebe- und Armierungsmörtel, der vollflächig auf das Paneel oder die Wand aufge­tragen und durchgekämmt wird. ­Anschließend wird eine Armierungsschicht samt Armierungsgewebe aufgebracht. Als Oberbeschichtung eignen sich mineralische Oberputze.

Regeln und Normen bieten Orientierung
Die technischen Regeln für die Verarbeitung eines Innendämmsystems werden durch die EnEV 2009 sowie die DIN 4108 festgelegt. Darüber hinaus bieten die Merkblätter der WTA (Wissenschaftlich-technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e.V.) dem Fachhandwerker die erforderliche Orientierung. Grundsätzlich sind die gängigen Lösungen als geschlossene und in sich abgestimmte Systeme zu verstehen. Aufgrund der komplexen Kopplung von Wärme- und Feuchtetransporten ist vom Austausch einzelner Komponenten dringend abzuraten. So wirkt sich eine systemfremde Endbeschichtung oder Dämmplatte auf den Diffusionswiderstand des Systems aus, ein anderer Kleber hat unter Umständen nicht die erforderliche Wassersorption. Somit ist, neben der fachgerechten ­Verarbeitung, die Nutzung der system­eigenen Komponenten die wichtigste Voraussetzung, um eventuellen Bau­schäden vorzubeugen.

Georg Kolbe
Leiter Produktmarketing Fassade/Wand, Saint-Gobain Weber GmbH

Abbildungen: 1. Ytong Multipor 2.-8. Saint-Gobain Weber                                       Ausgabe: 11/2012