Erhalten und gestalten
- Erstellt: 15. August 2016

Die Restaurierung eines Fachwerkgebäudes kann eine Herausforderung für den Fachmann sein. Den Insekten- wie Pilzbefall gilt es in die Schranken zu weisen, will man dem Gebäude wieder Leben einhauchen.
Der Stuckateur- oder Malermeister wird von seinen Kunden oft zur Inaugenscheinnahme an die Fassade gerufen und dann folgt der Spruch »Streich das ganze Mal eben über«. Hier ist der Fachmann gefragt und gefordert. Eine Untergrundprüfung unter Berücksichtigung der Putzstabilität, der Haftung und Festigkeit, sollte ebenso erfolgen, wie die Prüfung der Holzkonstruktion und die Haftung der Farbschichten. Auch bei einer optisch intakt wirkenden Holzoberfläche zeigt sich mitunter beim Einschneiden mit einem Messer oder beim Ankratzen mit einem Schaber, dass das Holzwerk unterhalb der intakten Farbbeschichtung verfault ist. Fehlstellen innerhalb der Gefache, welche unsachgemäß verschlossen wurden, oder statische wie auch Setzrisse in verschiedensten Konstruktionen werden bei einer fachgerechten Bewertung und Untersuchung rasch sichtbar und stellen den Fachmann vor lösbare Aufgaben.
Statik überprüfen
Sofern verfaulte oder stark beschädigte Holzkonstruktionen auffallen, ist umgehend die Statik zu überprüfen, um den Nachweis der Standfestigkeit zu erhalten. Oberflächlichkeit vor einer Restaurierung ist wie »Karies beim Zahnarzt«, nur wenn der »Keim« entdeckt und beseitigt ist, stellt sich eine »Gesundung« ein. Dies gilt bei so wertvollen historischen Gebäudekomplexen wie dem Fachwerk im Besonderen.
Bei Schäden am Holzwerk muss der verfaulte oder angefaulte Bereich abgebeilt werden. Anschließend wird der entfernte Bereich vom Fachmann durch Aufdoppeln oder Anschuhen restauriert. Zu beachten ist, dass alters- oder artgleiches Material zur Anwendung kommt.
Sofern die Gefache keine Tragfähigkeit mehr aufweisen, sind sie restlos zu entfernen und auszutauschen. Beim Füllen der Gefache ist zu beachten, dass dies von oben nach unten erfolgt und nicht umgekehrt. Wenn das Auffüllen von unten erfolgt, so entsteht durch jede weitere Ausfachung ein Druck auf die darunterliegenden Gefache. Der Druck führt zu Spannungen und letztlich zu Abrissfugen, Quetschungen bis hin zu statischen Rissen. Neue aufgebrachte Putzschichten werden in aller Regel als Kalkmörtel hergestellt und nach den Vorgaben der jeweiligen Hersteller aufgetragen. Nach sorgsamer Durchhärtung der relevanten Putzschichten können die Gefache anstrichtechnisch weiterbearbeitet werden.
Feuchtigkeit – kein Holzfreund
Wenn sich im Holz kleine Risse gebildet haben oder die Risse von oben nach unten verlaufen, so kann die Feuchtigkeit nach außen absorbiert werden. Hier werden die Risse mit Farbe ausgestrichen. Sobald Risse sichtbar werden, in welchen die Feuchtigkeit stehen bleibt, müssen diese mit artgleichem Holz ausgespänt werden. Es wird also artgleiches, vorgetrocknetes Holzmaterial verwendet. Darunter versteht man Holzteile, welche weit weniger Feuchte beinhalten als die Holzkonstruktion selbst.
Durch Ausgleich der Holzfeuchte werden die eingesetzten Holzspäne dann fest an die Holzwandung der Risse gepresst. Der Fachhandwerker entscheidet im Einzelfall, ob hier und da noch zusätzlich Holzleim Anwendung findet. Des Weiteren werden die Hölzer so ausgewählt, dass kein Wasser eindringen kann. Aus diesem Grund ist es bei horizontalen Holzstäben von Vorteil, wenn das Mark in einer Balkenecke liegt.
Zapfenlöcher beachten
Fugendichtmassen finden viele Anwendungsmöglichkeiten, bei einer Fachwerkrestaurierung sind diese jedoch ungeeignet, weil keine dauerhafte Dichtigkeit erzielt werden kann. Das Holz wird sich auffeuchten, weil durch die Abdichtung die Abgabe von Feuchtigkeit verhindert wird.
Als weiteren kritischen Punkt sind die waagerechten Zapfenlöcher zu betrachten, weil sich dort Feuchtigkeit ansammelt und lange schädlich reagieren kann. Als Folge entstehen Fäulnisschäden im Holzbalken, welche im Regelfall bis zu 50 cm links und rechts vom Zapfenloch aufkommen. Beim Schrägen anbohren mit einem Durchmesser von etwa 20 mm können diese Löcher auf Dauer entwässert werden, um aufkommende Fäulnisschäden zu vermeiden.
Schlagregenbelastung
In der Praxis wird das Sichtfachwerk beim Fäulnisverdacht freigelegt, um weitere Schäden zu verhindern oder vorhandene zu sanieren. Das sichtbare Fachwerk kann in aller Regel nicht dicht gegen Schlagregen sein, weil das Wasser weniger über die Fläche als durch die zahlreichen Fugen in die Wand einzudringen vermag. Sofern die Schlagregenmenge kleiner als 140 ml/m² (entspricht der Schlagregenbeanspruchungsgruppe 1 nach DIN 4108) ist, sollte keine schlagregenbedingte Beeinträchtigung zu erwarten sein. Sofern höhere Werte festgestellt werden, sind die stark witterungsbelasteten Bereiche zu verkleiden. In diesem Fall ist auf ein Freilegen zu verzichten.
Beschichtungen
Ein weiterer Punkt ist die Bewertung der Beschichtungen auf den Holzflächen. Hier ist anzuraten, alle Beschichtungen restlos zu entfernen. Die beste Methode ist das Sandstrahlen mit weichem Strahlgut (JOS-Verfahren). Dabei wird das Holz schonend und ohne Wassereinwirkung, wie etwa beim Hochdruckreinigen, vor weiteren Feuchtigkeitsschäden bewahrt. Die Putzgefache sind so zu schützen, dass keine Beschädigungen auftreten, um nachfolgende aufkommende Feuchteschäden zu unterbinden.
Zur Unterstützung bei einer anstehenden Restaurierung dienen übrigens die WTA-Merkblätter zum Thema Fachwerk, welche Detaillösungen vorgeben, die aus der Praxis entstanden sind und für die Praxis erarbeitet wurden.
Wolfgang Cremer,
Fachjournalist
Abbildungen: Cremer Ausgabe: 6/2013