01. Januar 2016

Denkmalpreis für Jurahaus

Die gelungene Instandsetzung eines kurz vor dem Einsturz stehenden Jurahauses aus dem Altmühltal wurde belohnt: Die Hypo-Kulturstiftung zeichnete das fachmännisch sanierte und modernisierte Gebäude mit dem Denkmalpreis aus.

Barocke »Modernisierungen« und ein tonnenschweres Kalkplattendach kurz vor dem Einsturz kennzeichneten den Zustand eines Jurahauses aus dem Altmühltal. Trotz dieser schwierigen Ausgangslage und obwohl das Gebäude längere Zeit ungenutzt blieb, ließen sich die neuen Eigentümer nicht abschrecken. Mit großem Aufwand ­widmeten sie sich der Instandsetzung. Ihr Einsatz wurde belohnt: mit einem fachmännisch sanierten Jurahaus und mit dem Denkmalpreis der Hypo-Kulturstiftung für das Jahr 2011.
Der Denkmalpreis der Hypo-Kultur­stiftung ist mit 50000 Euro dotiert und damit eine der angesehensten und ­lukrativsten Auszeichnungen der Denkmalpflege im bayerischen Raum. Ver­geben wird er an private Eigentümer, die sich in vorbildhafter Weise für den Erhalt eines Baudenkmals eingesetzt haben. Mitte Juli wurden die Preisträger 2011 ausgezeichnet. Zwei Objekte teilten sich den ersten Preis: Das Schloss Haimendorf in Röthenbach und ein für das Altmühltal typisches Jurahaus, das ehemalige ­Kanonikerhaus in der Pfarrgasse in ­Eichstätt.

Umbauten erschweren Instandsetzung
Das Bürgerhaus in Eichstätt ist ein ­traditionelles Jurahaus mit Kalkplattendach, einem gemauerten, massiven Erdgeschoss und Fachwerk im Ober­geschoss. Im Eichstätter Stadtbild nimmt es eine besondere Stellung ein, denn es ist eines von wenigen Gebäuden, die während des Dreißigjährigen Krieges einen verheerenden Brand unbeschadet überdauert haben. Allerdings stand das Gebäude in der jüngeren Vergangenheit eine längere Zeit lang leer. Bauschäden, die aufgrund von Umbauarbeiten im 18. Jahrhundert entstanden, zeigten sich immer deutlicher. Mit Dr. Christoph und Barbara Hiendl fand das Jurahaus zwei neue Bauherren, die ­diese Herausforderung annahmen und einen nicht unerheblichen finanziellen und persönlichen Aufwand in die Instandsetzung investierten.
Entlang des Altmühltals sind viele ­Gebäude in der typischen Jurahaus-Bauweise anzutreffen. Die Fenster des Eichstätter Hauses wurden allerdings im 18. Jahrhundert dem barocken Zeitgeist entsprechend vergrößert und neu gestaltet. Der vorgefundene Putz stammte gar aus den 1960er-Jahren.

Probleme bei der Rekonstruktion
Eine Untersuchung der Substanz ergab: Für das Erdgeschoss setzten die ursprünglichen Erbauer massives Bruchsteinmauerwerk ein. Im Obergeschoss zeigte die Arbeit der barocken Sanierer wenig historisches Bewusstsein, denn sie mauerten das Fachwerk aus Weidengeflecht im Obergeschoss teilweise mit Ziegeln aus. Doch auch in den 1960er-Jahren wurde wenig Rücksicht auf eine historisch korrekte Instandsetzung ­genommen. In dieser Zeit verlegten die Sanierer Holzwolle-Platten als Putz­träger außen über dem Fachwerk.
Innen fand sich noch der originale ­Bestand aus dem 16. Jahrhundert. Allerdings wurden bei der Vergrößerung der Fenster in der Barockzeit die Konstruk­tionshölzer des Fachwerks teilweise herausgebrochen und entfernt. Danach wurde das Fachwerk vollständig überputzt. Durch die barocke Raumschale und die Barockfenster erwies sich diese Epoche als die für das Gebäude prägende Bauphase, sowohl innen wie außen. Die massiven barocken Eingriffe und Veränderungen schlossen eine Rekons­truktion des ursprünglichen Sichtfachwerks aus. Auch innen waren somit ­geschlossene Putzflächen das Ziel der Instandsetzungsarbeiten.

Akute Einsturzgefahr
Typische Kalkplattendächer (»Leg­schieferdächer«) sind durch die schichtweise Anordnung der Kalkplatten schwer, sie können über 200 kg pro Quadratmeter wiegen. Zudem besitzen sie eine typische Dachneigung, die etwa zwischen 27 und 30 Grad liegt. Der Winkel ist steil genug, dass kein Wasser zwischen den unbefestigt aufeinander liegenden Platten eindringen kann, aber immer noch so flach, dass die Platten nicht abrutschen.
Der Funktionsfähigkeit des anspruchsvollen Dachaufbaus musste besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Durch den Schub des schweren Daches wurde der Kniestock nach außen ­gedrückt. Zudem wies das Außenfachwerk nur noch dünne Holzdimensionen auf, Riegel und Streben waren teilweise ausgebaut oder zerstört. Es war abzu­sehen, dass die schweren Dachlasten von dieser Konstruktion nicht mehr ­lange getragen werden konnten. So ­bestand akute Einsturzgefahr, die eine sofortige Notabstützung gebot.

Einsatz von Lehm und Blähton
Darüber hinaus erforderte der Zustand des Daches aus statischen Gründen zwingend eine neue tragende Konstruktion. Dazu wurden im Dachgeschoss neue Fachwerkträger innen vor dem Kniestock errichtet und mit diesem ­verschraubt. Neue Streben leiten die Last nun nach unten ins Obergeschoss. Dort wurde vor dem bestehenden ein neues Fachwerk als Subsidiärtragwerk aufgebaut. Es leitet wiederum die ­Lasten weiter bis hinunter zur massiven Erdgeschossmauer. Um die barocke Raumschale zu rekonstruieren, musste diese neue Fachwerkkonstruktion ebenfalls geschlossen werden. Zunächst ­bekam sie jedoch eine Lehmstein-Ausmauerung. In die Zwischenräume ­zwischen neuer und alter Schale füllten die Sanierer Lehm und Blähton — gut für Wärmedämmung und -speicherung. Das ­Hinterstopfen mit Lehm und Blähton gewährleistet jedoch auch den Feuchtetransport von innen nach außen. Das ist von entscheidender ­Bedeutung, weil sich die Lage des Taupunktes durch die neuen Maßnahmen verschiebt und ­anfallende Feuchtigkeit aus der Wandkonstruktion ausgeleitet werden muss.

Historischer Kalkputz als Grundlage
Die Ausmauerung erfolgte innen 2 cm über die Hölzer des Fachwerks über­stehend, so dass Temperierleitungen ­innerhalb des Mauerwerks, aber über die Hölzer hinweg, verlegt werden konnten. Dadurch vermieden die Sanierungsexperten, das Holz durch herausgeschnittene Aussparungen zu schwächen.
Die Leitungen wurden ins Mauerwerk eingemörtelt und dafür auf zirka 60 Grad Celsius erwärmt. Da die Leitungen schon in der Bauphase ihre maximale Ausdehnung erreichten, ­wurde der ­Gefahr von späteren Putz­rissen während der Heizphase ent­gegengewirkt. Als Grundlage für den frescalen Voranstrich diente der historische Kalkputz von ­Tubag, der zweilagig aufgebracht ­wurde. Das Unternehmen Tubag, eine Marke der Quick-Mix Gruppe, ist ­Spezialist für Putze und Mörtel im ­Bereich der Denkmalpflege. Der his­torische Kalkputz mit natürlich hydraulischem Kalk als Bindemittel ist sehr nah am Bestand des historisch ver­wendeten Putzes. Ein Kirchenmaler stellte aufbauend auf dem Voranstrich die Raumschale entsprechend den ­barocken Vorlagen wieder her.

Unterschiedliche Wandaufbauten
Auf der Außenseite zeigten sich ­ursprünglich alle Gefache mit einem Geflecht aus Weidenruten und Lehm geschlossen. In der Barockzeit tauschte man diese jedoch zum Teil durch ­Gefache aus Ziegel und Bruchstein aus. Vor der Restaurierung waren die ­Gefache auf der Innenseite noch weitgehend mit Lehm verputzt, während auf der Außenseite der Lehm fehlte. Daraus ergab sich die Anforderung, alle ­Gefache wieder holzbündig mit Lehm zu schließen. Die Weidengefache wurden also mit Hilfe eines Lehmrestaurators ergänzt und die Fehlstellen und Fugen der ­Ziegelgefache mit einem Kalkmörtel von Tubag (NHLV-g) geschlossen. Eine ­weitere Aufgabe stellten die unterschiedlichen Wandaufbauten in Erd- und Obergeschoss dar. Hier galt es, die Tauwasserproblematik im Übergangs­bereich in den Griff zu bekommen. Ein Bau­physiker untersuchte den kom­pletten Aufbau in dieser Hinsicht.
Da im Obergeschoss die innenseitig neu angebrachte Konstruktion aus Lehmsteinen und einer Lehm-/Blähton-­Füllung zur Verbesserung des Wärmeschutzes beiträgt, musste das ungleiche Ver­halten des Kalksteinmauerwerks im Erdgeschoss aufgefangen werden. ­Dieses kann zwar die Wärme speichern, bietet aber nicht den gleichen Schutz gegen Wärmeverluste. Als Lösung ­erwies sich eine einheitliche komplette Hülle ­zusammen mit einer durchgehenden Putzoberfläche.

Überzug mit mineralischem Dämmputz
Außen wurde sowohl das Fachwerk als auch das massive Erdgeschossmauerwerk mit einem mineralischen Dämmputz überzogen. Die Fachwerkbereiche erforderten hier zusätzliche Maßnahmen wie eine Holzentkopplung sowie den Einsatz von Vlies und Welnet­gewebe. Der mineralische Dämmputz mit Trassbeigabe TMD (Tubag) wurde in einer Stärke von 60 mm aufgebracht. Auf den aufgerauten Dämmputz folgte als Oberputz historischer Kalkputz (NHL-P) mit einer Körnung von 0 bis 2 mm zweilagig in 20 mm Stärke. Die ­erste Lage wurde auf einem Armierungsgewebe verputzt, auf die zweite Lage erfolgte direkt ein frescaler Voranstrich mit Sumpfkalk.
Ein kräftiger roter Farbton war die Vorgabe für das in Stand gesetzte Gebäude. Aufgrund des hohen Pigmentanteils wurde jedoch auf die eigentlich vorgesehene Kalkfarbe verzichtet und stattdessen eine reine Mineralfarbe eingesetzt. Trotzdem konnte ein für Kalk­farben typischer wolkiger Anstrich realisiert werden.

Individuelles Vorgehen zahlt sich aus
Mit der Instandsetzung des Jurahauses in Eichstätt haben die Bauherren Dr. Christoph und Barbara Hiendl ein Bauwerk bewahrt, das eine für das Altmühltal typische Bauweise aufweist. Ihr Einsatz und das Ergebnis wurden belohnt. Im Juli 2011 wurde ihnen eine Hälfte des aufgeteilten ersten Denkmalpreises der Hypo-Kulturstiftung verliehen. Das durch unterschiedliche Zeitperioden ­geprägte Bauwerk erforderte ein sehr individuelles Vorgehen mit entsprechend hohem Aufwand. Die historischen Kalkputze und -mörtel mit natürlich ­hydraulischem Kalk als Bindemittel ­erwiesen sich dabei als eine Möglichkeit, dem originalen Bestand auch im Hinblick auf Putze und Mörtel ­möglichst nahe zu kommen.

Bautafel Objekt Bürgerhaus Eichstätt

Objekt: Bürgerhaus Eichstätt

Bauherr: Dr. Christoph und Barbara Hiendl, Pfarrgasse 3, 85072 Eichstätt

Planer/Architekt: Elmar Greiner, Hilpoltstein

Ausführendes Bauunternehmen: Alfred Graf, Großberghausen 36, 92342 Freystadt

Baustoffproduzent: tubag Trass Vertrieb, GmbH & Co. KG, Bundesstraße 256, 56642 Kruft

Bauzeitraum: August 2007 – Juni 2009

Abbildungen: Greiner/Tubag                                                                                                        Ausgabe: 4/2012