12. September 2018

»Kulturgut der Stuckateure bewahren«

Restauratoren im Stuckateurhandwerk sind Spezialisten mit einem breiten Wissen. Die Ausbildung basiert auf der Verknüpfung von Theorie, zum Beispiel über Bau- und Kulturgeschichte oder Bauphysik, mit der handwerklichen  Praxis. Im Januar nächsten Jahres startet ein neuer Kurs zur Qualifizierung. Kursleiter Frank Schweizer gibt darüber Auskunft.

Herr Schweizer, im nächsten Jahr startet in Leonberg ein neuer Kurs zum Restaurator im Stuckateurhandwerk. Was erwartet die Teilnehmer?
Die Stuckateurmeister und angehende Restauratoren dürfen sich auf eine spannende und vielfältige Weiterbildung freuen. Das Programm ist sehr
abwechslungsreich. Das praktische Arbeiten und die theoretischen Teile wechseln sich ab. Zusätzlich sind einige Exkursionen geplant. Außerdem bleibt es nicht bei Werkstattübungen. Wir werden auch Restaurierungsarbeiten an realen Objekten vor Ort ausführen. Zwei interessante Baustellen erwarten uns.

1+2 Auf zwei Praxisbaustellen kann die mustergültige Restaurierung geübt werden: Links: Barockdecke im SchlossWeitenburg, oben: Jugendstilfassade in Geislingen/ Steige 1+2 Auf zwei Praxisbaustellen kann die mustergültige
Restaurierung geübt werden: Links: Barockdecke im
SchlossWeitenburg, oben: Jugendstilfassade in Geislingen/
Steige

Wo sind diese Baustellen und was kann dort gelernt werden?
In einer Jugendstilvilla in Geislingen an der Steige steht die Fassade im Vordergrund. Dabei wird es unter anderem um die Rekonstruktion von historischen Putzen und um die Ornamentik gehen. Beim zweiten Objekt handelt sich um die Sanierung einer originalen Barockdecke im Schloss Weitenburg.

Dort werden wir uns den Rissen im Bandelwerk widmen und einen Fries entfernen, der später eingebaut wurde und als unhistorischer Fremdkörper empfunden wird. Das Schloss über dem Neckartal wird heute als Restaurant und Tagungs­hotel genutzt. Max-Richard Freiherr von Raßler, der Eigentümer, freut sich, uns zu Gast zu haben. An diesen Objekten werden wir das eine Mal vier und das andere Mal fünf Wochen tätig sein.

Die Qualifizierung dauert insgesamt über ein Jahr. Was steht noch auf dem Ausbildungsplan?
Insgesamt sind es 14 Monate. Nur um einige der vielen Praxisthemen aufzuzählen: Stuckmarmor, Vergolden, historische Putztechniken, Antragsstuck und Gewölbebau … Dann gibt es noch die klassischen Themengebiete wie Bau­-, Kunst- und Kulturgeschichte, Baustilkunde.

Wir haben wieder hervor­ragende Referenten gewinnen können. Das freut mich besonders, da ich zum ersten Mal Kursleiter bin, nachdem mein Vorgänger Dieter Leithold in den Ruhestand gegangen ist.
Die Exkursionen führen uns unter anderem in die Staatsgalerie Stuttgart, aufs Schloss Solitude in Ludwigsburg, nach Nürnberg oder für mehrere Tage nach München. Diese Stadt bietet den angehenden Restauratoren Anschauungsmaterial in großer Bandbreite.

3 Frank Schweizer ist Leiter des Ausbildungszentrums für Stuckateure in Leonberg. Nun leitet er auch den Restauratorkurs 3 Frank Schweizer ist Leiter des Ausbildungszentrums
für Stuckateure in Leonberg.
Nun leitet er auch den Restauratorkurs

Alte Gebäude haben oftmals Schäden. In welcher Form befassen Sie sich in dem Kurs damit?
Das kommt nicht zu kurz. Baustoffkunde und Bauphysik stehen auf dem Lehrplan. Ein Restaurator sollte über die Maßnahmen gegen aufsteigende Feuchtigkeit Bescheid wissen und die Auswirkungen von bauschädlichen Salzen und Säuren kennen. Eine wichtige Aufgabe ist auch die Bestandsaufnahme und Dokumentation.

An wen richtet sich der Kurs?
Wir sprechen Stuckateurmeister an, die eine Liebe zu den historischen Gebäuden und historischen Putztechniken antreibt und neugierig sind. Die Kurse finden in den Bildungszentren in Leonberg und Rutesheim statt. Teilnehmer aus dem ganzen Bundesgebiet sind willkommen. Start ist am 14. Januar 2019.  Wir haben noch Plätze für Kurzentschlossene.
Dies ist nun der siebte Restauratorkurs, der bei uns stattfindet. Der erste fand 1986 statt. Zwei Jahre zuvor begannen wir mit den ersten Meistervorbereitungskursen und sind nun bei Kurs 36. Die Aus- und Weiterbildung im ­Stucka­teurhandwerk liegt uns sehr am Herzen.

Welche persönliche Voraussetzung sollte ein Teilnehmer mitbringen?
Er sollte Interesse an der Sanierung von historischer, schützenswerter Bausubstanz haben und im Denkmalbereich tätig sein wollen. Der Kurs ist eine Wissenserweiterung und führt über das hinaus, was man in der Ausbildung zum Meister lernt. Es geht um die Materialien und Handwerkstechniken unserer Vorfahren. Die Absolventen sollten dafür eine Grundsensibilität mitbringen, welche Materialen für alte Gebäude verträglich sind. Deshalb mischen wir selbst und nehmen das Material nicht aus dem Eimer. Wir lernen so zu arbeiten wie vor 200 oder 300 Jahren. So schützen und bewahren wir das Kulturgut der Stuckateure, damit es nicht verloren geht.

Bringt die Fortbildung auch wirtschaftliche Vorteile für einen Betrieb?
Der Stuckateur kann als Restaurator eine Nische besetzen und sich mit der Spezialisierung einen Namen machen. Das spricht sich herum. Ziel ist nicht, dass nur noch am Denkmal gearbeitet wird. Es gibt in unseren Städten viel historische Bausubstanz. Der Bedarf für eine fachmännische Restaurierung ist da. Der Fachmann in der Restaurierung verfügt über das Grundverständnis, wie ein Gebäude funktioniert, und kann seine Kunden ganzheitlich beraten. Er ist auch kompetent, um mit anderen Handwerkern in den Dialog zu treten. Glückliche Kunden haben eine positive Auswirkung auf den Betrieb.

Interview: Paul Dolt

Ausgabe 09 / 2018

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