01. Januar 2016

Saubere Fassaden

Im Zuge der wachsenden Bedeutung des Umweltschutzes muss der Handwerker bei der Fassaden­reinigung große Sorgfalt walten lassen. Die Vorgehensweise beim Reinigen, die benutzten ­Reinigungsmittel und die Entsorgung der anfallenden Schlämme nimmt Dr. Josef Maier genau unter die Lupe.

Jede Mauerwerksoberfläche wird im Laufe der Jahre verschmutzen. Durch Wind und Regen herangetragene Staub- und Rußpartikel legen sich auf ihre Oberfläche. Außerdem stellen unge­wollte Beschichtungen mit Latex, ­Gummierungen, Bitumen, Epoxidharzen und Chlorkautschuk bei minderfesten Untergründen ein kompliziertes Reinigungsproblem dar. Sie haften besonders hartnäckig und erzwingen beim Abstrahlen Zusätze zum Strahlgut, die ­zumeist oberflächenzerstörend wirken und häufig eine Belastung für die Umwelt sowie eine Gefährdung des ausführenden Handwerkers sein können. Beim Reinigungsprozess sollen jedoch nicht allein die Verschmutzungen beseitigt werden, sondern in der Regel auch die vorhandenen Altanstriche. Solche zumeist in mehreren Schichten übereinanderliegende Anstriche verstopfen punktuell die Oberflächenporen der ­Fassade, behindern somit die Wasserdampfdiffusion, und besitzen in der ­Regel kaum mehr die notwendige Haftfestigkeit. Deshalb taugen sie als Anstrich­untergrund nicht mehr. Sie sind sorgfältig und lückenlos zu entfernen. Des Weiteren besteht heutzutage zunehmend das Problem der Beseitigung aufgesprühter Graffiti. Sie sind oft so innig mit der Fassadenoberfläche verbunden, dass für ihre Entfernung nur Abbeizen oder Abstrahlen hilft. Aber auch mikrobieller sowie größerer organischer Bewuchs stellen häufig eine ungewollte Verschmutzung der Fassaden dar. In ausgeplatzten Mauerwerksfugen sammeln sich Staub und andere Stoffe, die zusammen mit eindringender ­Feuchte zunächst ein Wachstum von Moosen und Algen ermöglichen. Abgestorbene mikrobielle Organismen bilden den Humus für größere Pflanzen. Auf diese Weise wachsen auf Mauerfugen schließlich kleine Bäume und Sträucher.

Bauschädliche Salze
Nicht nur von außen auf das Mauerwerk aufgetragene Schichten müssen entfernt werden. Meistens geht die Verschmutzung einher mit Ausblühungen von bauschädlichen Salzen. Diese entstehen infolge des Feuchtetransports im Porensystem des Mauerwerks. Die Feuchte löst kristalline, bauschädliche Salze auf und transport sie als flüssige Säure an die Wandoberfläche, wo sie wiederum trocknet und erneut Salz­kristalle bildet. Das Volumen dieser ­Kristalle kann ein Vielfaches der flüs­sigen Salze betragen. Insbesondere wenn ein dichter, filmbildender Anstrich auf eine Fassade aufgebracht wurde, können sich daher infolge einer ­Mischung aus Salzen und Feuchte ­Blasen unter der Beschichtung bilden.  

Voruntersuchung
Bereits im Stadium der Beratung oder Angebotsausarbeitung, spätestens ­jedoch einige Wochen vor Arbeitsbeginn sollten geeignete Testflächen angelegt werden, auf denen durch Abreißfestigkeitsversuche die Haftung des Untergrundes und durch Ausprobieren die ­optimale Reinigungsmethode ermittelt werden. Schon zu diesen ersten Über­legungen müssen unbedingt Gedanken über Art und Menge der anfallenden Reinigungsmittel und der zu entfernenden Stoffe unter Berücksichtigung der geringstmöglichen Belastung der Umwelt gehören. Dazu ist es auch geboten, sich mit der zuständigen Bauordnungsbehörde oder dem Umweltamt der Stadt oder des Kreises zu verständigen, um ­eine geeignete Konzeption zur Entsorgung zu erarbeiten. Dort erfährt der Handwerksmeister – sollte er dies nicht bereits wissen – die ­gesetzlich geregelten Bestimmungen über die Unzulässigkeit des Einleitens von Schmutz- beziehungsweise Schadstoffen in den Baugrund oder in die ­örtliche Kanalisation. Sehr hilfreich sind dabei solche »Vorläufigen Technischen Hinweise«, wie sie beispielsweise das Bayerische Landesamt für Wasserwirtschaft im Jahre 1991 herausgegeben hat.
Erst mit den Ergebnissen, die aus den Testflächen gewonnen wurden, kann entschieden werden, welche Reinigungsmethode für das in Frage stehende Mauerwerk zum Einsatz kommt.
Für das Reinigen von Mauerwerk gibt es auf dem Markt mittlerweile eine schier unübersehbare Fülle von Verfahren, Mitteln und dazugehörigen Geräten, die sich im Wesentlichen in zwei Gruppen zusammenfassen lassen: einmal in überwiegend abrasive, ent­weder ­trockene oder nasse, und zum ­anderen in chemische Verfahren.

Mechanische, trockene Verfahren
Die mechanischen, trockenen Verfahren bestehen aus Abbürsten, Abschleifen, Abarbeiten, Abschaben nach Erhitzen mit Heißluft, Abbrennen oder aus ­Abstrahlen mit Druckluft. Sie sind zumeist nur in geringem Maße abrasiv, können jedoch an hartnäckig verschmutzten Fassaden scheitern. Deshalb sollte man sie an Testflächen in schrittweisem Vorgehen in der genannten ­Reihenfolge ausprobieren. Erst wenn diese relativ behutsamen Arbeitsgänge nicht den gewünschten Erfolg bringen, sollten kräftigere Verfahren eingesetzt werden.
Bei den trockenen Reinigungsverfahren gelangen Kompressoren mit ausreichender Luftmenge und unmittelbar vor dem Druckkessel sitzenden Luft-Konditio­nierern sowie regelbare Trockenstrahl­geräte mit entsprechenden Düsen im Zusammenhang mit Luftkühlern zum Einsatz. Dabei können die Düsen derart genau geregelt werden, dass auch ­Fugen im Mauerwerk und schmale Putzrisse gereinigt werden können. Werden diese an Wänden im Innenraum zum Beispiel bei großen Hallen und ­Kirchen eingesetzt, müssen sie mit ­einem leistungsfähigen Industriestaubsauger verbunden sein, um eine Verteilung des Staubes im Raum zu verhindern. Auch außen muss die Staubentwicklung beherrscht werden, indem man Luftbefeuchtungsdüsen an die Strahlgeräte anschließt. Dazu gehört selbstverständlich ein Abdecken der ­Arbeitsgerüste mit Planen. Der anfallende Staub kann auf diese Weise nicht in die nähere Umgebung dringen, lästige Staubemissionen werden verhindert. Wo die Voruntersuchung einen besonders großen Staubanfall erwarten lässt, ­müssen geschlossene Staubhauben eingesetzt und die Arbeiter mit Atem­masken ausgerüstet werden.       

Mechanische, nasse Verfahren
Dabei handelt es sich um Abwaschen mit Wasser, Abstrahlen mit Wasser ohne Druck, Abstrahlen mit Wasserdampf, Abstrahlen mit Druckwasser ohne Strahlmittel oder mit Strahlmittel, schließlich um Abstrahlen mit Höchstdruckwasser. Die Verfahren sollten in der genannten Reihenfolge getestet werden, um das jeweils sanfteste Reinigungsverfahren herauszufinden. Ein ­besonders sanftes Strahlverfahren ist das JOS-Niederdruck-Rotationswirbelverfahren. Dabei prallt der Wasserstrahl nicht direkt auf die Wand, sondern wird zuvor in einer Düse unter Luftzugabe verwirbelt. Das verwirbelte Strahlwasser wirkt erheblich weniger zerstörerisch auf die oberflächennahen Steinpartien. Bei sehr hartnäckigen Verschmutzungen werden Strahlmittel erforderlich. Diese bestehen zumeist aus relativ weichen Granulaten wie beispielsweise Walnuss­granulat und können durch Einsatz von Sanden in ihrem Grad der Abrasivität gesteigert werden. Bei Anwendung ­nasser Verfahren ist der Reinigungs­erfolg immer abhängig von der Saugfähigkeit der Fassade. Besonders güns­tige Resultate haben sich beim Abstrahlen mit dem Strahlmittel »Trockeneis« ergeben. Dabei bleibt der Untergrund trocken.

Nasse Strahlverfahren
Bei Anwendung nasser Strahlverfahren müssen die Gerüste sorgfältig mit ­Planen umhüllt werden. Selbstverständlich müssen auch alle Öffnungen in der zu reinigenden Fassade wie Fenster, Türen, Luken, aber auch Risse, Löcher und Anschlüsse an Traufkästen, Windbretter und Ähnlichem vor Beginn der Arbeiten wasserdicht geschlossen ­werden. Dies erfolgt in aller Regel durch Verkleben mit Folien oder Vermörteln der Risse und Löcher. Geschieht dies nicht, dringt das Strahlwasser samt Strahlgut durch die Fensterritzen oder unter dem Fensterbrett hindurch in den Innenraum ein und durchnässt angrenzende Wände mit ihren Lambrien, Fußböden mit Holzdielen oder Parkett und sogar die nahe am Fenster stehenden Möbel. Es können also hohe ­Schäden verursacht werden. Besondere Rücksicht muss auf den vorhandenen Zierrat der Fassade gelegt werden, ­dieser darf selbstverständlich nur von Hand und unter Anleitung eines fachkundigen Restaurators gereinigt werden.

Chemische Verfahren
Das Reinigen mit Hilfe von Chemikalien, also mit wässrigen oder nichtwässrigen Abbeizern, Abwaschen mit Wasser unter Zugabe von Tensiden, Auftragen von dünnflüssigen Reinigungsmitteln und schließlich Auftragen von Reinigungspasten, ist auf jeden Fall umweltpro­b­lematischer als die mechanischen ­Methoden. Wässrige Abbeizmittel wie Natron- oder Kalilaugen und heiße ­Soda- oder Ammoniaklösungen erfordern ein sehr sorgfältiges Nachwaschen mit Wasser. Nichtwässrige Abbeizfluide wie Spiritus, Benzol, Aceton oder gar die giftigen Chlorverbindungen Methylenchlorid, Trichloräthylen und Tetra­chlorkohlenstoff dürfen großflächig überhaupt nicht zum Einsatz gelangen. ­Solche aggressiven Abbeizmittel sind auch deshalb bedenklich, weil während ihrer Anwendung Giftgase entstehen und in die Umwelt entweichen, welche die Gesundheit sowohl der ausführenden Arbeiter als auch die von Passanten beeinträchtigen. Wenn sie aber wegen der Hartnäckigkeit der Verschmutzung eingesetzt werden müssen, sind gemäß der Verordnungen der Bauberufsgenossenschaft und der Unfallverhütungsrichtlinien sorgfältige Schutzvorkehrungen zu treffen. Dazu gehören neben dem Einsatz gasdichter Sprühkabinen auch dichte Schutzan­züge mit Gesichts­atemmasken. Der entstehende Abfall muss mittels Saugdüsen in dichten Behältern aufgefangen ­werden.    

Abbeizer
Die meisten Abbeizer bestehen zu 60 bis 70 Prozent aus Dichlormethan ­(Methylenchlorid) und verursachen in Verbindung mit Wasser Chlorkohlenwasserstoff, CKW-Emissionen. Diese werden überwiegend in die Luft und in geringen Mengen in Boden und Wasser abgegeben. Mittlerweile bietet der Markt aufgrund der verschärften Umweltschutzgesetze nur noch CKW-freie Abbeizer an. Allerdings sind auch diese keineswegs unproblematisch: Sie bewirken andere, jedoch nicht minder umweltschädliche Emissionen und belasten die Umwelt allein schon wegen ihrer wesentlich längeren Einwirkungszeiten nicht unerheblich.    
Die enorme Tiefenwirkung der heute am Markt zur Verfügung stehenden Ab­beizer durch mehrere Farb- und Lackschichten hindurch in einem Arbeitsgang und der hohe Reinigungsgrad durch vollständige Beschichtungsent­fernung beeinträchtigen die darunter ­liegende, mineralische Bausubstanz kaum. Es hat sich allerdings gezeigt, dass zur Entfernung komplexer Beschichtungsaufbauten spezielle Abbeizer benötigt werden, das heißt die opti­malen Abbeizer von Farben müssen ­immer der konkreten Aufgabenstellung angepasst werden. Jeder CKW-freie Abbeizer ist auf der Basis von Estern oder Alkoholen oder die neueste Generation auf wässriger Basis mit Aktivsauerstoff individuell zusammengesetzt. Die jeweiligen Anwendungsgebiete der Produkte überschneiden sich. In sogenannten ­»intelligenten« Gelen wird sogar die ­Lösemittelabgabe an die zu entfernende Farbschicht geregelt. Der Markt hält solche CKW-freien Produkte parat. Sie sind Dichlormethan- und NMP-frei ­
(N-Methyl-2-Pyrrolidon), anwenderfeundlich und biologisch abbaubar.

Gefährdung der Handwerker
Dichlormethanhaltige Abbeizer sind sehr gefährlich. Sie verursachen nicht nur Schläfrigkeit und Benommenheit, sondern können sogar die Atmung ­lähmen und zu einem Herz-Kreislauf-Stillstand führen. Die bei Abbeizarbeiten mit ­diesen Chemikalien bestehende Lebensgefahr hat sich leider bei zahlreichen, zum Teil tödlichen Unfällen gezeigt. Messungen der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) belegen, dass bei Tätigkeiten mit Dichlormethan-haltigen Abbeizern der Arbeitsplatzgrenzwert – AGW – grundsätzlich überschritten wird. Bei Arbeiten in Räumen wird der AGW in der Regel um das zehnfache, bei Arbeiten im Freien, zum Beispiel an Fassaden, um das fünffache überschritten. Auf dichlormethanhaltige Abbeizmittel kann gemäß der Technischen Regel Gefahrstoffe TRGS 612 ­»Ersatzstoffe, Ersatzverfahren und Verwendungsbeschränkungen für dichlormethanhaltige Abbeizmittel« (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und ­Arbeits­medizin) verzichtet werden, da für alle Beschichtungen, die mit dichlormethanhaltigen Abbeizmitteln entfernt werden können, auch geeignete wirk­same di­chlormethanfreie Abbeizmittel erhältlich sind. Bei Tätigkeiten mit dichlormethanfreien Abbeizmitteln hat der ­Arbeitgeber grundsätzlich Schutzmaßnahmen der Schutzstufe 2 (GefStoffV §§ 8 und 9) zu ergreifen. Eine Liste von dichlormethanfreien Abbeizern kann im Internet unter www.gisbau.de abgerufen werden.

Abbeizer
Da Dichlormethan von Atemschutz­filtern nicht zurückgehalten wird, ­müssen umluftunabhängige Atemschutzgeräte zum Einsatz kommen, das heißt man benötigt Sauerstoffflaschen oder Kompressoren. Darüber hinaus werden für den Handschutz spezielle Fluorkautschuk-Schutzhandschuhe benötigt, die höchstens zwei Stunden Schutz bieten. Diese Handschuhe kosten circa 50 Euro pro Paar. Beim Tragen von Schutzhandschuhen sind Baumwoll­unterzieh-Handschuhe empfehlenswert.
Aufgrund der hohen Risiken beim Einsatz von dichlormethanhaltigen Abbeizern hat das EU-Parlament im Januar 2009 ein europaweites Verbot von ­diesen beschlossen. Die europäische Verordnung (EU) Nr. 276/2010 bestimmt, dass seit dem 6. Dezember 2011 diese Stoffe nicht mehr verkauft werden dürfen. Seit dem 6. Juni 2012 ist dem gewerblichen Verwender auch die ­Benutzung von dichlormethanhaltigen Abbeizern verboten.

Quarzsand
Viele Hersteller haben bereits reagiert und ihr Programm an Abbeizmitteln umgestellt. Aber auch Dichlormethanfreie Abbeizmittel können den ­Menschen gefährden. Das mitgelieferte ­Sicherheitsdatenblatt sollte deshalb ­immer aufmerksam gelesen werden.
Die Verwendung des früher oft ­gebräuchlichen Quarzsandes als Strahlmittel ist aufgrund der ernsten Gesundheitsschäden (Silikose) seit vielen ­Jahren grundsätzlich verboten. Dieses Verbot war früher in der Unfallver­hütungsvorschrift VBG 48 »Strahl-­Arbeiten« enthalten. Nach der Auf­hebung dieser Unfallverhütungsvorschriften – UW – bestimmt jetzt die ­berufsgenossenschaftliche Regel – BGR 500 – im Kapitel 2.24, dass Strahlmittel nicht mehr als zwei Prozent an freier Kieselsäure (Quarz, Cristobalit und ­Tridymit) enthalten dürfen.

Alveolengängige Stäube
Eine Folge der Silikose können auch Krebserkrankungen der Lunge sein. Die TRGS 906 stuft deshalb Tätigkeiten, bei denen Beschäftigte alveolengängigen Stäuben aus kristallinem Siliciumdioxid in Form von Quarz und Cristobalit ausgesetzt sind, als krebserzeugend ein. Diese alveolengängigen Stäube (Alveolen sind Lungenbläschen, in denen der Gasaustausch von Sauerstoff und Kohlendioxid stattfindet) ent­stehen ins­besondere bei der Verwendung von Quarzsand als Strahlmittel. Wenn die hier aufgeführten Hinweise ­beherzigt ­werden, kann jede Fassade frei von Verschmutzungen erhalten werden

Literatur:
Josef Maier, Handbuch historisches Mauerwerk – Untersuchungsmethoden und Instandsetzungsverfahren, ­Springer-Verlag 2012, 2. Auflage.

Abbildungen: 1.-9. Maier             Ausgabe: 12/2012