01. Januar 2016

Fassadenpflege lohnt sich!

Das Thema »Algen und Pilze auf Fassaden« bleibt weiter aktuell. Hier ein Überblick über die ­Ursachen und die möglichen Lösungsansätze sowie Ausführungen über die ­besondere Verantwortung bei der fachgerechten Planung.

Algen und Pilze sind ein natürlicher ­Bestandteil unseres Lebensraumes. ­Diese Kleinstlebewesen sind sehr genügsam (siehe Tabelle 1) und ein nützlicher Bestandteil unseres Öko­systems. Auf Fassaden, wo sie nicht nur für eine unansehnliche Verfärbung sorgen (Bild1), sondern im schlimmsten Fall sogar das Bauteil schädigen können — beispielsweise durch eine weit­reichende Durchfeuchtung — sind sie uns wenig willkommen. Aber es bleibt die Frage — warum nimmt der Befall von Bauteiloberflächen in den letzten Jahrzehnten ­immer weiter zu?
Zum einem sorgen wir Menschen durch unsere Reduzierung von Luftschad­stoffen dafür, dass sich die Luftqualität erheblich verbessert hat. Dies verschafft nicht nur uns, sondern allen Organismen eine Verbesserung der Lebens­bedingungen. Die immer weitergehende konsequente und wichtige Schonung unserer Ressourcen zur Energieversorgung hat zu hoch technisierten, nahezu optimal gedämmten Gebäudekonstruktionen geführt. Dieser Umstand ver­ändert jedoch die Bedingungen, die an den Bauteiloberflächen herrschen. So sind die heutigen Fassaden durch den reduzierten Wärmefluss von Innen nach Außen erheblich kühler und lassen so einen Tauwasserausfall an der Bauteil­oberfläche zu. Darüber hinaus tragen die reduzierten Oberflächentempera­turen dazu bei, dass bei einer Bewitterung der Trocknungsprozess der Bauteil­oberflächen langsamer wird.

Ideale Rahmenbedingungen
So ist die erste Vorraussetzung für einen Lebensraum geschaffen — Feuchtigkeit. In fast allen modernen Baustoffen ­lassen sich die von den Mikroorganismen benötigten Nährstoffe nachweisen, so dass der zweite wesentliche Faktor für einen Befall schnell gegeben ist. In unseren Breiten sind die Bedingungen hinsichtlich der nötigen Temperatur und Lichtversorgung ebenfalls gegeben und runden die Rahmenbedingungen für ­Algen und Pilze ab.
Nun könnte man relativ schnell die Schlussfolgerung ziehen: »Lasst uns zurückkehren zur Umweltverschmutzung und Energieverschwendung, dann erledigt sich das mit den Algen und ­Pilzen von alleine«. Das mag rein hypothetisch unter Berücksichtigung der biologischen Bedingungen schon der Fall sein, nur was wird dann aus uns? Der Weg hin zu einer algen- und pilzfreien Fassade muss also anders ­beschritten werden. Was ist demnach zu beachten? Zuerst müssen wir uns der Faktoren ­bewusst werden, welche die Menschen beeinflussen können und welche nicht (Bild 3). Auf die Rahmenbedingungen durch Umwelt und Klima haben wir keinen, beziehungsweise nur einen geringen Einfluss. Beispielsweise kann niemand in München arbeiten, aber in der Wüste Sahara wohnen, nur um sein Haus vor Feuchtigkeitsein­wirkungen zu schützen. Was wir jedoch aktiv beeinflussen können, sind die bautechnischen und materialspezifischen Einflüsse und hier gilt es, mit verschiedenen Ansätzen dem Thema entgegen zu treten. Betrachten wir als erstes die Strategien bei der Materialauswahl.

Strategie 1 — organische Oberputze
Als Oberputze werden organisch gebundene Produkte wie beispielsweise ­Silikon- und Kunstharzputze eingesetzt. Insbesondere Silikonputze erfüllen diese Aufgabe besonders gut, da sie zum ­einen bei einer äußeren Feuchtebelas­tung sehr wenig Feuchtigkeit aufnehmen und zugleich eine gute Diffusion von Innen nach Außen zulassen. So hat der Silikonputz von der Baumit GmbH einen Wasseraufnahme w-Wert von > 0,10 kg/m2h0,5 bei einem sd-Wert von 0,12 – 0,16 m bei 2 mm Schichtdicke.
Bei erhöhten Anforderungen können ­organische Produkte zusätzlich mit Bioziden ausgerüstet werden. In Kombi­nation mit Anstrichsystemen werden so sehr hohe Bioziddepots geschaffen, ­welche selbst bei extremen Bedingungen einen Schutz gewährleisten können. Allerdings muss darauf hingewiesen ­werden, dass sich die Biozidwirkung mit der Zeit abbaut und eine Nachbehandlung oder Überarbeitung in gewissen zeitlichen Abständen unerlässlich ist.

Strategie 2 — mineralische Oberputze
Bei den mineralischen Oberputzen ­unterteilt man zwei Systemaufbauten, die dünnschichtigen und die dickschichtigen Endbeschichtungen. Die minera­lischen Scheibenputze, die die ­gängigs-ten im Bereich der dünnschichtigen ­Systeme darstellen, schützen sich mit einem hohen ph-Wert vor einem Biozidbefall, jedoch nimmt die Alkalität, ­also der ph-Wert, mit zunehmender ­Alterung und der weiteren Carbonatisierung der Scheibenputze ab, so dass der Eigenschutz auch hier mit der Zeit nachlässt. Darüber hinaus wird bei ­mineralischen Scheibenputzen meist ein Egalisationsanstrich eingesetzt, der ­wiederum zu ­einer Minderung des ph-Wertes an der Putzoberfläche führt. Die Egalisationsanstriche wurden eingeführt, um den steigenden Anspruch der Bauherrn an die Gleichmäßigkeit des Farbtons zu gewährleisten. Ein Egalisationsanstrich schafft für den Zeitpunkt der Abnahme ein gleichmäßiges ­Erscheinungsbild, um die aus vertragsrechtlicher Sicht erforderlichen Anforderungen zu erfüllen. Technisch sind Egalisatiosnanstriche jedoch eher ­kritisch zu betrachten, so werden an sie im Vergleich zu Anstrichsystemen keine Anforderungen an die Witterungstabilität sowie an einen Biozidschutz ­gestellt. Dies spiegeln auch die zahl­reichen Regelwerke wie zum Beispiel das BFS Merkblatt Nr. 9 (Abschnitt 6.4) wieder. Sind bei mineralischen dünnschichtigen Systemen erhöhte Anforderungen gestellt, so werden diese in der Regel mit Anstrichsystemen auf Silikat- oder Silikonbasis versehen.

Natürlicher Selbstreinigungseffekt
Einen anderen Weg im Bereich der dünnschichtigen mineralischen End­beschichtungen zeigen Oberputze mit modernen Bindemittelkonzepten auf. So verbindet der Baumit-Nanoporputz ­mikroskopisch glatte Oberflächen (Bild 4) mit hydrophilen und hydrophoben ­Eigenschaften. Während die Feuchtigkeit von der hydrophilen Oberfläche schnell und weit verteilt wird, verhindert eine hydrophobe Schicht im ­unteren Oberputzbereich ein zu tiefes Eindringen der Feuchtigkeit ins Putz­system. Somit wird aufgrund der großen wirksamen Fläche und der guten Diffusionsfähigkeit des Nanoporputzes eine schnelle Rücktrocknung der Oberfläche und ein natürlicher Selbstreinigungs­effekt durch die Diffusion erreicht.
Werden hingegen mineralische dickschichtige Endbeschichtungen, wie Edelkratzputze eingesetzt, sieht die Funktion der Endbeschichtung etwas anders aus. Durch die hohe Anfangs­alkalität können Edelkratzputze erheblich länger halten. Dies beruht auf der natürlichen Abnutzung der Oberfläche des Edelkratzputzes. Diese Abnutzung ist sogar in Form von am Boden liegender abgewitterter Körnung sichtbar. ­Neben dem soeben beschriebenen Effekt, hat die dickere Putzlage noch einen ­zusätzlichen Nutzen, so wird über ­Masse eine Erhöhung der Wärme­speicherung erreicht und somit die Zeit zum Erreichen der Taupunkttemperatur verzögert. Das sorgt für einen gleichmäßigeren Feuchtehaushalt der Putzfläche. Edelkratzputze und moderne Putzsysteme, wie der Baumit-Nanoporputz, haben gemeinsam das Ziel, auf den Einsatz von Bioziden zu verzichten und so einen aktiven Beitrag zum ­Umweltschutz zu leisten.

Bautechnische Einflüsse
Als zweiten Punkt, den wir beeinflussen können, bleiben die bautechnischen Einflüsse. In der heutigen Diskussion um das Thema »Algen und Pilze« kommen diese oft zu kurz und es wird sich oft nur auf die Materialauswahl konzentriert. Jedoch ist und bleibt die Bautechnik der wichtigste Einflussfaktor überhaupt! So kommt schon dem Planer in der Projektierungsphase — lange vor der Ausführungsplanung und Um­setzung — eine besondere Sorgfaltspflicht zu. Demzufolge tragen modern gestaltete Gebäudekörper, die aus­schließlich mit Attikaverblechungen ­einen konstruktiven Witterungsschutz erreichen, ein höheres Risiko als Gebäude­konstruktionen mit großen Dachüberständen, wie sie eher im ­sogenannten »Landhausstil« (Bild 6) zu finden sind.
Wer aus der heutigen Sicht heraus ­»modern« konstruiert und gestaltet, muss den Bauherren auf diese höheren Risiken schon in der Projektierung hinweisen, denn nur in dieser Phase ­können die Rahmenbedienungen noch grundlegend beeinflusst werden. Geht es dann in die Ausführungsplanung, reicht bei solchen Gebäuden die reine Erfüllung der Mindeststandards nach den »allgemein anerkannten Regeln der Technik« (a.a.R.d.T) nicht aus (Bild 2), da das Vorhandensein eines erhöhten ­Risikos für ­einen Befall hier als bekannt vorauszusetzen ist.

Angepasste Ausführungsplanung
Gemäß der »allgemein anerkannten ­Regeln der Technik« sowie den unzäh­ligen Richtlinien und herausgegebenen Fachbüchern zu diesem Thema, muss bei einem erhöhten Risiko auch eine dem Risiko angepasste Ausführungs-planung durchgeführt werden.
So ­werden in der Richtlinie Metall­anschlüsse an Putz und Wärmedämm-Verbundsystemen, das zusätzliche Vor­sehen einer Blechaufkantung, die ein Ablaufen des Wassers über die Fassadenseite auch bei Windeinfluss verhindern beziehungsweise minimieren soll, gezeigt (Bild 5).
Architekten und Planer, die mit dem heutigen Wissen um Konstruktions­details und in Kenntnis um die seit Jahrzehnten kontrovers geführten ­Diskussionen zum Algen- und Pilzbefall an Fassaden einfach nur die Mindest­anforderungen an Gebäudekonstruk­tionen erfüllen, bürden dem Bauherrn und dem ausführenden Fachbetrieb ­bewusst ein hohes Risiko für einen ­Befall auf. Wobei meist nur der Fach­betrieb zur Haftungsfrage für den Befall belangt wird, obwohl das Risiko mit ein paar kleinen konstruktiven Details ­erheblich minimiert werden kann.

Fassadenpflege lohnt sich
Auch der Nachsorge wird zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Zu jedem Haushaltsgerät bekommt man eine ­Gebrauchsanleitung, über das eigene Haus bekommt man meist nur wenig Informationen und oft gar nichts zur Pflege der Fassade. Ein Beispiel: Wie viele Ratgeber und Produkte sind zur Pflege der Haut ­bekannt? Die Fassade ist die Haut des Hauses — sie erfüllt alle Funktionen wie unsere menschliche Haut, nur pflegen wir sie nicht so ­bewusst. Regelmäßige Inspektionen und Funktionstests tragen erheblich zur Senkung von Alterungsschäden an ­Fassaden bei und können ­einen ­aktiven Beitrag zur Minimierung des Langzeit­risikos von einem biologischen Befall mit Algen und Pilzen beitragen. Egal wie man sich entscheidet, ob moderne Architektur und Gestaltung oder »Landhausstil«, eines haben beide Fälle ­gemeinsam: Nur der richtige Mix aus Konstruktion und Materialität, die Handwerkskunst des ausführenden Fachbetriebes und die Nachsorge ­bestimmen maßgeblich das Risiko für einen Fassadenbefall mit Algen und ­Pilzen mit. Die absolute Sicherheit gibt es noch nicht, aber es gibt allen ­Beteiligten ein besseres Gefühl, alles in der Macht stehende getan und mit dem Bauherrn offen hierüber kommuniziert zu haben. Denn dass das »Design« letztlich auch mitbestimmt, wie hoch das Befallrisiko ist, bleibt wohl unbestritten.

 ay Beyen
Leiter Anwendungstechnik Baumit GmbH

Abbildungen: Baumit Gmbh                                                                                                                         Ausgabe: 3/2012