01. Januar 2016

Meisterhaft reduziert

Eine Wand ist eine Wand? Zu wenig der Ehre für Räume, die Erlebniswelten sind. Die Volkswagen Lounge in Dresden zeigt, wie durch fein entwickelte Wandgrafiken eine edle Fassung für exquisite Ausstellungsstücke entstehen kann.

»Was an diesem Projekt anspruchsvoll war? Sehr vieles und mindestens drei wichtige Details. Solange man auch komplexe Herausforderungen konsequent abarbeitet, ist alles machbar«, sagt Markus Hillegaart rückblickend über ein Projekt, an das er sich gern ­erinnert. Im vergangenen Jahr haben Strauss und Hillegaart, ein international renommiertes und junges ­Gestalter-Duo aus Cottbus, die Wandgestaltung in der Volkswagen-­Lounge in Dresden geplant und aus­geführt.
Ein handelt sich um einen besonderen Raum: Er ist der Abschluss ­einer jeden Führung durch die Gläserne Manufaktur, in der der Autohersteller seine Ober­klasse-Modelle fertigt. Volkswagen wünschte sich einen exklusiven Rahmen für die Präsentation von Phaeton, ­Touareg und Volkswagen CC. Der Raumentwurf kam von der auf das Design von Erlebniswelten spezialisierten ­Agentur »Triad Berlin«. Sie inszenierte die ­Architektur mit dynamischen Geometrien.

Wer sagt, dass sich nur auf geraden Wänden präzise gestalten lässt?
Auto und Bewegung gehören zusammen. Genauso wie Raum und Statik. Dieser Widerspruch löst sich in der Volkswagen Lounge auf: »Jede Wand ist hier gekrümmt, wohlgemerkt in unterschiedlichsten Radien – und eine ­Neigung der Wände von rund 20 Grad kommt noch dazu«, umreißt Markus Hillegaart die Ausgangssituation. Wer hier eine präzise Grafik aufbringen möchte, muss exakt planen, um ein verzerrungsfreies Ergebnis zu erzielen. Strauss und Hillegaart entwickelten ­eine exakte 3D-Planung, mit der die beiden gewünschten Gestaltungs­elemente – farbige Linien und Typo­grafien – die richtigen Dimensionen ­erhielten. Hier hat das Büro, das künstlerischen Anspruch bewusst mit technischer Kompetenz verknüpft, seine besondere Stärke. Auch bei der Kundenberatung gilt: Der Auftrag­geber wird eng in den Gestaltungs­prozess einbezogen.

Wo steht, dass Kunden nicht offen sind für mutige Ideen?
Gewöhnlich ist, dass Farbgestalter die Unterschiedlichkeit von Farbtönen in Sättigung und Helligkeit für ihren Entwurf nutzen. Ungewöhnlich ist, wenn sie als alleiniges Gestaltungsmittel zwei unterschiedliche Glanzgrade ein- und derselben Nuance einsetzen. »Eine ­Differenzierung des Designs allein über die zwei Glanzgrade ›Glänzend‹ und ›Matt‹ hatte ich schon lange im Hinterkopf«, berichtete Markus Hillegaart. In Dresden gab es genau die richtige Konstellation, diese Idee zu realisieren. Das Büro schlug vor, den typografischen ­Anteil der Wandabwicklung – Schlagwörter zu den »Tugenden« der Automobile – weiß-glänzend auf weiß-mattem Hintergrund darzustellen. Die elegante Anmutung der Idee konnte sich der Bauherr grundsätzlich vorstellen. Doch Strauss und Hillegaart war es wichtig, die exakte Weißnuance gemeinsam mit dem Auftrag­geber zu er­arbeiten, um die letzte Verunsicherung auf Kundenseite zu nehmen.
Aufwendig bemusterte das Büro die Farboptionen auf 15 großflächigen ­Tafeln und simulierte die anspruchsvolle Lichtsituation. Das über­raschende Ergebnis: »Das VW-Konsor­tium entschied sich für die mutigste ­Variante – das Weiß mit den geringsten Kontrasten«, freut sich Markus Hillegaart noch heute. So richtig erstaunt war der 35-Jährige aber nicht. Denn er ist überzeugt davon, dass sich jede Anstrengung, die man in die Visuali­sierung der Gestaltung und die Kommunikation mit dem Bauherrn investiert, in der Kundenzufriedenheit und im Ergebnis rechnet.

Wer behauptet, dass minimalistisches Design nur minimale ­Wirkung entfaltet?
Ein Projekt künstlerisch sehen, es unter den Aspekten der tech­nischen Machbarkeit zu betrachten und als logische Konsequenz in fein definierter Ausführung auch umzusetzen: Strauss und Hillegaart legt die gleichen hohen Maßstäbe jedes Projektschritts auch in der Umsetzungsphase an. Das Künstler-Team arbeitet mit jeweils spezialisierten Betrieben zusammen – und schon seit der Gründung im Jahr 1998 mit Brillux. »Speziell für die Bemusterung brauche ich einen ­Lieferanten vor der Haustür, von dem ich schnell alle gewünschten Farbtöne in kleinen Mengen zu einem guten Preis bekomme – und da habe ich mit Brillux, die mir bis zu 30 Farbtöne an einem Tag in 1-Liter-Dosen ab­mischen, sehr gute Erfahrungen gemacht«, so Markus Hillegaart. Für die Farbauswahl in der Volkswagen Lounge war das Farb­planungssystem »Scala« ­eine echte Hilfe. Für das Weiß-in-Weiß der Wandtypografie entschied sich der Gestalter ebenfalls für zwei Brillux-­Produkte – aus künstlerischen und technischen Gründen. Die extrem stumpfmatte Qualität von Acryl-­Fassadenfarbe 100 entwickelte optisch die gewünschte Wirkung. Und: Sie ­erfüllte als Schlussbeschichtung auf dem speziellen Untergrundaufbau die Vorgabe, durchgängig haltbare Haftbrücken herzustellen. Schließlich arbeitete das Team mit großflächigen ­Schablonen aus ­Klebefolien, um die ­Typografie aufzubringen. »Da darf beim Abziehen nichts schief gehen«, erklärt der Gestalter.

Konsequent reduzierte Form
Die weiß strahlenden Schlagworte der Wandtypografie wurden mit Lacryl-PU Glanzlack 275 ausgeführt. Diese ­wasserbasierte, gesundheitsschonende Beschichtung bringt neben ihrem intensiven Glanzgrad auch eine hohe Lichtbeständigkeit mit. Das zweite Wand­motiv, eine reduzierte, dynamische Streifengestaltung, wurde allein mit Acryl-Fassadenfarbe 100 an die Wand gebracht. Die schmalen, waagerechten Balken in Farben aus dem Naturtöne-Spektrum sind durchgängig matt in matt gearbeitet und simulieren – konsequent in reduzierter Form – eine vorbeiziehende Landschaft. Insgesamt ist hier eine Kulisse entstanden, die den repräsentativen Fahrzeugen den Vortritt lässt und ihren edlen Auftritt garantiert. Und was sagen die Agentur und der Bauherr zu der Gestaltungsarbeit, die in drei ­Wochen intensiver Planungszeit entstand und innerhalb nur einer ­Woche ausgeführt wurde? Markus ­Hillegaart: »Alle waren glücklich und vom Resultat sehr angetan. Das ist übrigens eine Erfahrung, die wir bei allen Projekten machen, bei der sich die Kunden über jeden Schritt informiert fühlen, mitwirken und sich von unserem Motto ›Wir machen Kunst planbar‹ in der Praxis überzeugen können.«

Abbildungen: Triad Berlin Gmbh                                                                               Ausgabe: 7-8/2012