01. Januar 2016

Liquidität vor Rentabilität

Bei der Bilanzbesprechung erläutert der Steuerberater, dass das zurückliegende Geschäftsjahr gut gelaufen ist. Der Umsatz hat sich stabilisiert und ist auf hohem Niveau. Der ­Gewinn wurde erneut gesteigert und ist noch besser als in den Vorjahren. Leider ist das Girokonto ständig im Minus. Der Handwerker versteht die Welt nicht mehr.

So oder so ähnlich geht es vielen Familienunternehmen im Handwerk. Glaubt man dem Steuerberater, ist die wirtschaftliche Situation gut. Die Steuer­belastung hält sich in Grenzen. Aber die empfundene Lage und der Blick auf den Bankauszug sagt etwas ganz anderes. Der Betrieb hat das Konto schon länger überzogen. Es fehlt Liquidität. Seit ­geraumer Zeit kämpft das Unternehmen, um seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Nicht nur die wichtigsten Baustoffhändler warten auf Geld. Besser gar nicht daran denken, wenn der kommende Winter wieder lang und hart werden sollte.
Das Beispiel ist kein Einzelfall. In der betrieblichen Praxis kommt es häufig vor, dass rentable Unternehmen trotzdem nicht liquide sind. Schaut man sich diese Betriebe und deren Zahlen genau an, so liegt der betriebliche Schwerpunkt meist darauf, hohe Renditen zu erzielen. Sobald Liquidität vorhanden ist, wird diese für neue Investitionen oder das Firmenwachstum genutzt. Das wiederum steigert zwar die Rentabilität, die Kasse bleibt aber stets leer.

Wie ungleiche Schwestern
In einem Unternehmen müssen auf Dauer die Liquidität und die Rentabilität sichergestellt sein. Im Idealfall laufen Liquidität und Rentabilität parallel, um den Fortbestand des Unternehmens und die Zahlungsfähigkeit dauerhaft zu sichern. Leider konkurrieren Liquidität und Rentabilität. Ihr Verhältnis ist ­ähnlich wie das von ungleichen Schwes­tern. Eine davon ist oft dominant. Selten vertragen sie sich. Steht beispielsweise viel Liquidität zur Verfügung, muss der Betrieb noch lange nicht rentabel wirtschaften.
Rentabilität ist unter anderem vom ­eingesetzten Kapital abhängig. Bei konstanten Gewinnen heißt dies: Je mehr Liquidität im Einsatz ist, desto geringer ist die Rendite. Umgekehrt bedeutet weniger eingesetztes Kapital eine ­höhere Rentabilität, was aber Liqui­ditätsengpässe bedeuten kann. Im ­Extremfall könnte es sein, dass eine ­Firma hervorragende Renditen erwirtschaftet, aber wegen Zahlungsunfähigkeit trotzdem insolvent ist. Ein gewisser Vergleich zu unserem Handwerker drängt sich auf.

Am Kontostand orientieren!
Für viele Steuerberater ist es wichtig, dass ihre Mandanten wenig Steuern ­bezahlen müssen. Deshalb werden sie schließlich auch beauftragt. Auf Empfehlung wird dann regelmäßig inves­tiert oder Kapital aus dem Unternehmen gezogen. Das wirkt sich negativ auf die Liquidität aus. Insbesondere, wenn hohe Investitionen finanziert werden. Jedem ist klar, dass dann die Liquidität schlechter ist als der steuer­liche Gewinn. Die Effekte der Abschreibungen wirken erst über die Jahre auf die Ermittlung des Gewinns. Umsichtige Unternehmen sind insofern gut beraten, sich in erster Linie am Kontostand zu orientieren. Was viele auch tun. Wer ­jedoch die Liquidität zu sehr strapaziert, muss sich nicht wundern, wenn die Hausbank einem stets auf den Füßen steht.
Auswirkungen auf die Liquidität haben speziell in familiengeführten Handwerksbetrieben hohe Kapitaldienste. Die Tilgungen an Banken sind nämlich ­bezogen auf die Gewinn- und Verlustrechnung keine Betriebsausgaben. In der Folge ist der Gewinn höher als der Kontostand. Umgekehrt wäre ein Liquiditätszuwachs durch ein Darlehen auch keine steuerpflichtige Einnahme.

Daueraufträge arbeiten im Stillen
Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften haben Privatentnahmen größten Einfluss auf die Liquidität. ­Leider stellt man oft fest, dass Handwerker zu wenig Überblick haben, was im Laufe eines Jahres entnommen wird. Viele meinen, nur wenig Geld aus der Firma zu nehmen. Die getrübte Wahrnehmung hat ihre Ursache in den ­Daueraufträgen. Die regelmäßigen Entnahmen werden kaum mehr zur Kenntnis genommen. Die Abbuchungen laufen gewissermaßen im Stillen.
Gleiches gilt für Zahlungen für die ­Alters- und Risikovorsorge, also die Beiträge für die Renten-, Kranken- oder Lebensversicherung. Hohe Kosten für die Miete oder Immobilienfinanzierungen schmälern das ­Konto. Ein Blick in den Kontoauszug macht deutlich, was Monat für Monat abgebucht wird. Auch mit kleineren ­Beträgen läppert sich ­einiges zusammen. Manch einer lebt auf zu großem Fuß. Die Werbung und Konsumgesellschaft vermitteln uns ständig, jetzt zu kaufen und später zu bezahlen. Was bei Staaten früher oder später zum Chaos führt, nämlich Schulden aufzuhäufen, ist bei Unternehmen oder bei Privatpersonen nicht anders.

Liquiditätsplanung einrichten
Erfolg und Lebensqualität lassen sich dauerhaft nur einstellen, wenn nicht nur der Gewinn, sondern auch die ­Liquidität zufriedenstellend ist. Ziel muss sein, sämtliche Rechnungen mit Skonto bezahlen zu können. Sicherheitsreserven sind speziell für saison­abhängige Baubetriebe ein wichtiger ­Erfolgsbaustein. Sinnvoll ist es, eine ­Liquiditätsplanung einzurichten. Die ­Erfahrung zeigt, dass Unternehmen mit guter Liquidität auch die höchsten ­Erträge erwirtschaften und dauerhaft Markterfolg haben.
Selbst bei latenten Inflationsängsten sollte man den Schwerpunkt auf ein gut gefülltes Girokonto legen. Liquidität ist so betrachtet bedeutsamer als Rentabilität. Leider leben viele Menschen über ihre Verhältnisse, auch weil sie meinen, sich gesellschaftlichen Zwängen unterwerfen zu müssen. Auf Dauer kann man aber nicht mehr entnehmen, als was da ist.

F. Helfensteiner

Abbildungen: Fotolia                                                                                                Ausgabe: 10/2013


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