01. Januar 2016

Chefin und Studentin

Man kann es sich mit 50 Jahren eher gemütlich einrichten oder noch einmal richtig durchstarten - so wie es Sabine Scheerer vorlebt. Die Unternehmergattin ist nicht nur die rechte Hand im Stuckateurbetrieb ihres Mannes, sondern studiert auch noch BWL.

Joachim Scheerer führt seinen Stuckateurbetrieb inzwischen in der dritten Generation. Der 56-Jährige übernahm das ­Unternehmen 1980 von seinem ­Vater Karl, der zuvor den Firmengründer ­Richard Scheerer beerbt hatte.
Der Meister­betrieb ist schon seit dem Jahr 1925 ­eine feste Institution im schwäbischen Oberboihingen (Landkreis Esslingen). Die Geschäfte laufen schon seit Jahren gut, auch weil sich Joachim Scheerer auf die Fähigkeiten seiner sechs Mitarbeiter und vor ­allem seiner Gattin Sabine verlassen kann, die seit 1985 für die kaufmän­nische ­Ge­schäfts­führung des Familienunternehmens verantwortlich ist.
»Ich bin bei meinem Mann in einem klassischen Ehegatten-Arbeitsverhältnis angestellt«, erzählt die 52-Jährige bei einer Tasse Kaffee in ihrem Büro, welches sich – wie so oft in dieser Branche – zusammen mit den Wohnräumen, der Lager- und Fahrzeughalle auf einem großzügig angelegten Firmengrundstück befindet.

Rechte Hand vom Chef
Sabine Scheerer, die Tochter einer ­Nürtinger Metzgerfamilie, ist aber noch weit mehr als »nur« die rechte Hand des Chefs. Neben der für ein Handwerks­unternehmen typischen Büro­arbeit wie der Finanzbuchhaltung, dem Schreiben von Angeboten, dem Erstellen von Ausgangsrechnungen und der Lohnabrechnung ist sie auch im ­Arbeitskreis der Meisterfrauen beim Fachverband der Stuckateure für Ausbau und Fassade Baden-Württemberg (SAF) seit 15 ­Jahren engagiert. »Man ist dort unter Branchenkolleginnen und kann sich austauschen – das ist eine sehr empfehlenswerte Sache«, lobt ­Sabine Scheerer. Darüber hinaus ist ihr Mann Joachim unter anderem in der Stuckateurinnung Esslingen aktiv, während sie in der Fachgruppe »Ausbau« des SAF eingebunden ist.
Engagement und Interesse für ihren ­Beruf sind mit dem Leben der gebür­tigen Kirchheimerin untrennbar verbunden. Stets wollte sie sich weiterentwickeln, beruflich wie privat vorankommen. Dazu gehörte zunächst eine vernünftige Berufsausbildung. Sabine Scheerer: »Meinen Eltern war es egal, welche Richtung ich einschlage. Sie wünschten sich aber, dass ich eine ­solide Ausbildung absolviere.« Nach Beendigung der Realschule (1976) kam sie mit einer Lehre zur Industriekauffrau bei Metabo (von 1976 bis 1978) diesem Wunsch nach. Im Anschluss war sie bei ihrem Ausbildungsbetrieb in der Finanzbuchhaltung tätig. Zu dieser Zeit ­lernte sie im Oberboihinger Sportverein ihren zukünftigen Mann Joachim kennen. 1982 heirateten die beiden. Zwei Jahre später wurde Sohn Jan geboren. »Und 1985, nach Ende des Mutterschutzes, bin ich in die Firma meines Mannes eingestiegen, wo ich meine Schwiegermutter als Bürochefin abgelöst habe«, erinnert sich Sabine Scheerer. Weitere zwei Jahre später komplettierte Sohn Patrick die Familie.

Großes Leistungsspektrum
Die Schwerpunkte beim Stuckateur­betrieb Scheerer liegen in den Bereichen Bauen und Renovieren im ­Bestand, WDVS, Trockenbau, Dekorputz und der Komplettsanierung mit anderen Gewerken. Die Stärken bringt die Chefin auf den Punkt: »Wir haben sehr gute Stucka­teur-Facharbeiter, die alle bei uns ausgebildet wurden. Die Kunden­betreuung und Beratung ist uns sehr wichtig. Wir gehen im Detail auf die Wünsche unserer Kunden ein und informieren sie über jeden Arbeitsschritt. Ferner haben Sauberkeit und eine ­ruhige Atmosphäre auf der Baustelle Priorität. Und das intern angenehme Arbeitsklima wirkt auch positiv nach außen.«
Früher, als es zeitlich noch machbar war, ist Sabine Scheerer manchmal mit ihren Facharbeitern zur Baustelle ­gefahren und hat gelegentlich ein Aufmaß erstellt. »Dafür habe ich spätestens seit Beginn meines Studiums keine Zeit mehr«, sagt sie mit Bedauern in der Stimme.

BWL-Studium seit 2010
Nachdem sie 2008 die Prüfung zur ­Betriebswirtin im Handwerk bei der HWK Stuttgart erfolgreich abgeschlossen hatte, ließ sie sich durch ermutigende Worte ihre Professors und durch ihren BWL-studierenden Sohn Patrick zum Weitermachen motivieren. Sabine Scheerer: »Das Studium war einfach der nächs­te logische Schritt und das Lernen hat mir sowieso viel Spaß gemacht. Seit 2010 bin ich an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen/ Geislingen in der Fachrichtung ›Unternehmensführung‹ eingeschrieben und habe mittlerweile fast das ­sechste Semes­ter hinter mich gebracht.«
Aber wie bekommt sie das Studium, die ­Arbeit und die ganzen ehrenamtlichen Tätigkeiten unter einen Hut? »Dienstag und Donnerstag bin ich halbtags sowie den ganzen Mittwoch fürs Studium eingespannt, den Rest der Woche ­arbeite ich im Büro. Die anderen Aktivi­täten wie beispielsweise ihr Engagement für die Unternehmerfrauen im Handwerk und im Sportverein laufen abends. Es ist zwar viel Aufwand, aber alles funktioniert und macht Spaß«, versichert Sabine Scheerer.

dm

Abbildungen: Scheerer/Mioc                                                                                   Ausgabe: 6/2013