01. Januar 2016

Wandel im Bewusstsein

In den vergangenen Jahren hat sich das öffentliche Bewusstsein der Problematik des verstärkten Auftretens von Schimmelpilzbefall zugewandt. Lange Zeit ­wurden die Gefahren für die menschliche Gesundheit unterschätzt. Heute wissen wir, dass Schimmelpilzbefall ­Allergien und Infektionen auslösen kann. Dr. Thomas Brenner weiß, wie das verhindert werden kann.

In den vergangenen beiden Jahrzehnten konzentrierte sich die öffentliche Diskussion über die Gefährdung von Bewohnern mittels eingetragener Schadstoffe insbesondere auf den Aspekt der chemischen Innenraumluftverunreinigungen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Formaldehyd-, Holzschutzmittel- und Asbestdiskussion der 1970er- und 1980er-Jahre. Einen Überblick über in Innenräumen auftretende Schadstoffe verschafft Tabelle 1.
Seit Jahren schon gehört es zu den Zielen der Caparol-Forschung, die Belas-tung von Handwerkern und Endverbrauchern durch Lösemittelemissionen aus Beschichtungsstoffen (VOC, SVOC) weiter zu reduzieren. Ein entscheidender Fortschritt auf diesem Gebiet ­gelang in den 1980er-Jahren mit der Einführung der sogenannten »ELF-Technologie«. Seither stehen Produkte zur Verfügung, die neben Wasser nahezu keine flüchtigen organischen Verbindungen und damit Emissionen mehr aufweisen. Einen weiteren Schritt auf diesem Weg stellte vor wenigen Jahren die Markteinführung von Caparol »Sensitiv« dar. Dieses Produkt war die erste Dispersionsfarbe aus schadstoff- und allergenkontrollierten Rohstoffen, die zudem ohne Konservierungsmittel auskommt. Moderne Dis­persionsfarben erfüllen alle Kriterien des strengen Umweltzeichens »Blauer ­Engel« und bestehen die Emissions­messungen nach dem zukünftigen Standard, dem so genannten »AgBB-Schema«, um die Gesundheit des Handwerkers und Nutzers umfassend zu schützen.
In den vergangenen Jahren hat sich das öffentliche Bewusstsein einer anderen drängenden und bisher unterschätzten Problematik zugewandt, die des verstärkten Auftretens von Schimmelpilzbefall in Innenräumen. Lange Zeit ­wurden biologische Schadstoffsituationen im Vergleich zu den oben benannten chemischen Innenraumluftschadstoffen unterschätzt. Wie wir heute wissen, kann Schimmelpilzbefall – ähnlich wie die Haare von Katzen, Hunden oder die Kotausscheidungen von Kakerlaken und Milben - bei betroffenen empfindlichen Personen ­Allergien und Infektionen auslösen. Es ist an der Zeit, diesem Thema mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Auftreten und Eigenschaften
Pilze benötigen wie alle Lebewesen für grundsätzliche Lebensvorgänge wie Sporenkeimung und Myzelwachstum Wasser. Grundvoraussetzung für einen Schimmelpilz­befall ist generell Feuchtigkeit. Diese Feuchtigkeit kann durch undichte Stellen in der Gebäudehülle, durch einen Wasserrohrbruch oder durch andere Tätigkeiten wie Kochen, Duschen, Waschen, Wäschetrocknen, Verdunstung (Zimmerpflanzen, Ver-duns­ter, Aquarium etc.) sowie Aus­atmen und Schwitzen der Bewohner in den Innenraum eingebracht werden. Vorgenanntes summiert sich auf täglich mehrere Liter Wasserdampf in einem Ein- bis Zweipersonenhaushalt (siehe Tabelle 2).
Wird die eingetragene Feuchtigkeit nicht entfernt, kommt es an »kritischen«  und wenig durchlüf­teten Stellen in der Wohnung zu Schimmelpilzwachstum. Diese »kritischen« Stellen sind beispielsweise Ecken, Wandflächen hinter Schränken oder Gardinen ohne Konvektion und ungedämmte Außenwände.

Faktor Luftfeuchte
Zur Vermeidung von Schimmelpilzwachstum sollte eine relative Luftfeuchtigkeit von 65 Prozent im Sommer und 55 Prozent im Winter nicht überschritten werden. Hierbei ist zu beachten, dass sich im Winter die relative Luftfeuchte in einem Innenraum durch Lüften schnell und effektiv senken lässt (relative Luftfeuchte der Innenluft liegt höher als die der Außenluft), während dies im Sommer nicht immer möglich ist, da die warme Außenluft einen höheren Wassergehalt besitzt als die Innenraumluft. Gefährlich ist dies bei kalten Außenwänden zum Beispiel im Keller, auf denen es dann in kurzer Zeit durch Kondenswasserbildung zu einem Schimmelbefall kommt.
Aus denselben Gründen ist es auch falsch, ein unbeheiztes Zimmer durch Öffnen einer Tür zu einem beheizten Zimmer zu erwärmen (Bild 1). Generell gilt, dass es zu Kondens­wasserbildung kommt, wenn Luft mit 20°C und 60 Prozent ­relativer Luftfeuchte auf Flächen fällt, die kälter als 12°C sind. Diese Situation gilt es durch geeignete Gegenmaßnahmen, wie einer Wärmedämmung der Außenwände, zu vermeiden.

Hausstaub reicht zum Leben
Weitere Voraussetzungen für das Schimmelwachstum sind gemäßigte Temperaturen zwischen 0 – 40 °C, ein pH-Wert zwischen 4 – 8 und Sauerstoff. Licht wird zum Wachstum nicht benötigt. Der Nährstoffbedarf der meis­ten Schimmelpilze ist gering, so dass zumeist bereits der Hausstaub und/oder andere in den Innenraum eingebrachte Stoffe (Küchenfett, Rauchablagerungen etc.) aber auch Tapetenkleister, Tapeten und nicht zuletzt Wandfarben als Kohlenstoff- und Energiequelle dienen ­können. Wichtige in Innenräumen ­gefundene Gattungen von Schimmelpilzen sind Cladosporium sp., Aspergillus sp., Penicillium sp, Fusarium sp., Alternaria sp., Mucor sp. und Stachybotrys sp. Pilze mit starker Sporenbildung und der Fähigkeit zur Mycotoxinbildung sind im ­Innenraum als ­problematisch einzustufen.

Toxische Wirkung
Schimmelpilze, Sporen und deren ­Bestandteile sowie ihre Stoffwechselprodukte, die über die Atemluft eingeatmet werden, können bei bestimmten Personen allergische Reaktionen, Intoxikationen und in seltenen Fällen Infektionen auslösen. Unter den Allergien sind solche vom Typ I (»Soforttyp«, zum Beispiel Asthma bronchiale, allergische Konjunktivitis, Urticaria, Neurodermitis) am wichtigsten, gefolgt von solchen des Typs III/Typ IV. Eine klinische Ausprägung, bei der Typ III und Typ IV vorliegen, ist die sogenannte exogene ­allergische Alveolitis, eine entzündliche Veränderung der Lungenbläschen, verursacht durch das Einatmen von sehr hohen Konzentrationen an Sporen, wie sie normalerweise in Innenräumen nicht auftreten. Durchgeführte epidemiologische Studien geben Hinweise, dass es einen Zusammenhang zwischen einer Schimmelpilzexposition und Atemwegsbeschwerden gibt. Die toxische Wirkung von Schimmelpilzen beruht auf der Freisetzung von Zellwandbestandteilen (Glukane), gasförmigen Substanzen (MVOC) und Mykotoxinen.
Diverse Schimmelpilze sind in der Lage letztgenannte Mykotoxine zu produzieren. Besonders Fälle verursacht durch Aspergillus fumigatus und Stachybotrys chartarum sind hier zu nennen (sick-building syndrome). Korrelationen ­zwischen Symptomatik und Zellzahl pro Kubikmeter Luft wurden beschrieben, auch ­wurden bei hoch belasteten Stäuben Dosis-Wirkungsbeziehungen für Mykotoxine erkannt. Für bestimmte in und auf Lebensmitteln auftretende ­Toxine wie beispielsweise die Mutterkornalkaloide in Getreide oder Aflatoxine auf Erdnüssen, Mohn oder Pistazien liegt detailliertes Zahlenmaterial und eine gesetzliche Höchstmengenbegrenzung vor. Für die inhalative Aufnahme anderer Mykotoxine und gasförmiger Substanzen (MVOC) liegen größtenteils nur Einzelfallbeschreibungen vor. Aus Vorsorgegründen gilt es den Kontakt und die Exposition zu ­minimieren oder ganz zu vermeiden. Lokale beziehungsweise ­systemische ­Infektionen mit Schimmelpilzen treten nur selten auf und betreffen überwiegend Personen mit lokaler oder allgemeiner Abwehr­schwäche.

Vorbeugende Maßnahmen
Da die wichtigste Voraussetzung für das Auftreten von Schimmelpilzwachstum im Innenraum das Vorhandensein von Feuchtigkeit ist, müssen eventuell bau­liche Mängel und/oder falsches Nutzungsverhalten abgestellt werden. Zu den nutzungsbedingten Einflußgrößen zählt insbesondere richtiges Lüftungs- und Heizungsverhalten. Aus hygienischer Sicht wird ein Luftwechsel von 0,5 – 1/h als sinnvoll erachtet. Welche Luftwechselraten sich aus welchen Lüftungsmaßnahmen ergeben, verdeutlicht Tabelle 3. Prinzipiell sollte zur Verringerung der Feuchte im Raum vorzugs­weise mehrmals täglich eine kurze Stoßlüftung (5 – 10 min bei weit geöffnetem Fenster) durchgeführt werden. Im Bad sollte man die Fenster nach dem Duschen oder Baden kurzzeitig weit öffnen und in der Küche sollte die beim Kochen entstehende Feuchtigkeit mittels einer Dunstabzugshaube abgeführt werden.
Gepaart werden muss das intelligente Lüftungsverhalten mit dem richtigen Heizen: alle Räume sollten ausreichend beheizt werden. In Schlafräumen sollte die Temperatur möglichst nicht unter 16 °C sinken und auch ­wenig genutzte beziehungsweise unbenutzte Räume sollten geringfügig ­beheizt werden. ­Zudem ist darauf zu achten, dass vor kalten Außenwänden keine großflächigen Möbel in zu geringem Abstand aufgestellt werden.

Resümee
Bei Beherzigung all dieser Maßnahmen und Verhaltensregeln, sollte ein Befall mit Schimmelpilzen im Innenraum vermeidbar sein und einem Leben in einem gesunden Wohnumfeld nichts im Wege stehen. Sollte es trotz aller Maßnahmen zu einem Schimmelbefall kommen, so stehen nach einer ordnungsgemäßen Bestandsaufnahme für die Sanierung der Oberflächen geprüfte und sichere Produkte zur Verfügung, die ein Höchstmaß an Sicherheit mit einer hervorragenden Wirksamkeit gegenüber Pilzen verbinden.

Dr. Thomas Brenner,
Produktmanagement Farben + Putze,
Caparol

Abbildungen: Tabelle 1+2: UBA 2005; Tabelle 3: UBA 2002; Fotos 2+3: Carapol                                 Ausgabe: Sonderheft/2013