Azubi-Superstars gesucht und gefunden

Junge Menschen für Berufe im Handwerk zu begeistern ist heutzutage nicht leicht. Viele Gewerke finden kaum noch geeignete Bewerber für die Ausbildungsstellen. Der Maler- und Stuckateurbetrieb Anton Geiselhart ging in Sachen Nachwuchswerbung in die Offensive und ließ von Profis Werbeclips für die Sozialen Medien und die lokalen Kinos drehen.
Mit Erfolg: In der Region Pfullingen/Reutlingen wurden die Werbung und das Casting zum Stadtgespräch. Als Zugabe gab es den »Sonderpreis Nachwuchsmarketing« beim Stuckateur des Jahres 2017.
Das Handwerk hat leider einen schlechten Ruf«, sagt Roman Geiselhart, Geschäftsführer des Maler- und Stuckateurbetriebs Anton Geiselhart GmbH & Co. KG in Pfullingen. »Auch wir haben in den vergangenen Jahren immer weniger Azubi-Bewerbungen bekommen – da war uns klar, dass wir die ausgetretenen Pfade verlassen und die Jugend von heute zeitgemäßer anpacken müssen.« So wurde 2016 die Idee geboren, einen Film zu drehen, der flott, charmant und mit einem Augenzwinkern für das Maler- und Stuckateurhandwerk werben sollte.
Stefan Hüttl, kaufmännischer Leiter des 120 Mann starken Handwerkunternehmens, ergänzt: »Viele Clips auf Youtube haben nur B-Qualität, davon wollten wir Abstand nehmen. Es sollten von Profis hergestellte kurze Werbefilme werden, mit denen wir landesweit die Sozialen Medien aber auch regional die örtlichen Kinos bespielen können. Wichtig war uns vor allem, dass wir mit Bildern und Worten unsere Zielgruppe emotional erreichen.«
Werbewirksames Casting
Ein großer Vorteil: Roman Geiselhart hatte seine Werkhalle, einst eine Maschinenfabrik für Webstühle, schon vor Jahren auf Anfrage für Dreharbeiten zur Verfügung gestellt. Zu der Filmproduktionsfirma »Cinecore motion pictures« aus Stuttgart hatte man seither gute Beziehungen. Sie stellten zudem die Regisseurin, Carolina Sanchez, die sich auch die Ideen für die Film-Stories einfallen ließ. Stefan Hüttl betont: »Wir wollten aber keine Schauspieler von einer Agentur, sondern frische, authentische Gesichter aus der Pfullinger Region. Unser Ziel war es, ein werbewirksames Casting für unseren Dreh zu organisieren und das im großen Stil zu bewerben – in der Presse, im Radio, auf Facebook, mit unserer Pkw-Beschriftung, mit Plakaten, mit Mailings an Schulen und sogar im Regional-TV.«
So entstand die Kampagne »Anton Geiselhart sucht den Azubi-Superstar«. Das Feedback ließ nicht lange auf sich warten: Knapp 30 Interessierte im Alter von 14 und 18 fanden sich im Sommer 2016 zum Casting in den Werkshalle in der Pfullinger Marktstraße ein. Keiner von ihnen hatte Schauspiel-Erfahrung. »Bereits beim Casting konnten wir vielen Menschen Eindrücke vom Stuckateur- und Malerhandwerk vermitteln. Auch die Eltern oder Freunde der Jungdarsteller haben unser Handwerk besser kennengelernt«, freut sich Roman Geiselhart. Die beiden 30 Sekunden langen Werbeclips waren nach zwei Tagen fertig »im Kasten«, mit Geschichten, mit denen sich Schüler und Schülerinnen identifizieren können.
Im Spätsommer und Herbst 2016 kamen die Filme ins Kino und ins Netz, für das zeitgleich beginnende Ausbildungsjahr war das eigentlich schon recht spät. »Zufrieden sind wir aber trotzdem – auch wenn sich die Bewerberzahl nicht großartig erhöht hat, so ist doch deren Qualität deutlich gestiegen. Zudem konnten wir wertvolle Erfahrungen machen, die wir für die neuen Werbeclips für 2017 und in Zukunft verwenden können«, versichert Stefan Hüttl. Die Neuauflage der preisgekrönten Kampagne »Azubi-Superstar gesucht« für das Gewerk Gerüstbau läuft inzwischen seit Mitte September im Kino und im Netz und sorgt auch wieder für Furore. Ein Ende der Kampagne ist nicht in Sicht.
Sonderpreis beim »Stuckateur des Jahres«
Dieses Konzept konnte auch den Bundesverband Ausbau und Fassade (BAF) nachdrücklich überzeugen. Der Sonderpreis »Nachwuchsmarketing« beim Wettbewerb »Stuckateur des Jahres« wurde Roman Geiselhart von Rainer König, dem Vorsitzenden des BAF, höchstpersönlich bei der KIT (Kontakte, Ideen, Trends) Ende März in Konstanz verliehen. In der Begründung/Laudatio hieß es: »Für preiswürdig empfindet die Jury diese Werbeaktion, um junge Schulabgänger anzusprechen und sie für eine Ausbildung im Handwerk zu begeistern. Die Werbefilme vermitteln, wie ›cool‹ es sein kann, einen handwerklichen Beruf wie den des Stuckateurs oder des Malers zu erlernen.«
Das erfolgreiche Werbekonzept hat Roman Geiselhart an den Landesverband der Maler weitergeleitet, die Kampagne sollte ausgeweitet werden. Er grinst, wenn er auf deren Feedback zu sprechen kommt: »Für viele Maler ist die Kampagne zu weit weg, viele sehen das Ganze eher kritisch. Dabei haben sie einfach nicht kapiert, dass diese Clips zeitgemäß sind und zu hundert Prozent auf die Jugend abzielen. Unsere Ehrung bei der KIT sagt aus, dass hier die Stuckateure weiter sind. Sie haben das Potenzial der Kampagne erkannt und sind auf der Höhe der Zeit.«
Dass sich Stuckateure und Maler in einigen Punkten stark unterscheiden, ist dem Diplom-Betriebswirt (Fachrichtung Bau) spätestens 1997 klar geworden. Damals übernahm Geiselhart den in Reutlingen ansässigen Stuckateurbetrieb von Klaus Kimmerle. Roman Geiselhart erinnert sich: »Wir haben damals die Mitarbeiter, das Know-how, Grundstück und den Fuhrpark übernommen. Erstaunlicherweise hat es aber eine ganze Weile gedauert, bis wir in Sachen Zusammenarbeit alles unter einen Hut gebracht haben. Hier trafen verschiedene Sichtweisen aufeinander.« Mit einem Lächeln ergänzt Stefan Hüttl: »Man muss Stuckateure und Maler verschieden ansprechen. Stuckateure sind etwas robuster.«
Sieben Abteilungen, mehrere Standorte
Übrigens wurden in diesem Jahr nicht nur Azubis für das Maler- und Lackierer- sowie das Stuckateurgewerk gesucht, sondern auch für die Bereiche Trockenbau und Betoninstandsetzung. Die 1934 gegründete Firma hat sich über die Jahre in sieben verschiedene Abteilungen (ergänzt durch Gerüstbau und Bodenbeschichtung) gegliedert und an mehrere Standorte verteilt. Mittlerweile sind auch in Reutlingen, Kirchheim-Teck, Tübingen, Rottenburg, der Schwäbischen Alb und sogar in Stuttgart Transporter und Pkws mit dem Schriftzug »Anton Geiselhart – a saubre Sach« an der Tagesordnung.
»Unser Einzugsgebiet ist 50 Kilometer um Pfullingen herum« bestätigt Roman Geiselhart. »Wir sind stark regional orientiert. Meine Teams sind sehr viel im Privatbereich tätig. Wir übernehmen auch kleine Aufträge – die lohnen sich für uns, weil wir gut ausgebildete, effiziente Mitarbeiter haben.« Das Vertrauen zahlt sich für beide Seiten aus: Der Chef gibt seinen Abteilungsleitern viele Freiheiten. »Sie arbeiten weitestgehend autark. Die Teamleiter bekommen von uns den Rahmen, die kaufmännische Unterstützung läuft bei uns in der Zentrale. Diese Freiheiten und die Eigenverantwortlichkeit werden von unseren Mitarbeitern sehr geschätzt. Sie haben das Gefühl, dass sie sich in unserem Betrieb verwirklichen können.«
Viel mehr als nur »Anstreicher«
Als wichtige Geschäftsfelder bezeichnet Stefan Hüttl den Trockenbau, Umbau/Ausbau, Nassputzbereich (privat), Wärmedämmung, Brandschutz, Schallschutz und Akustiklösungen, Wohngesundheit (es besteht eine Kooperation mit dem Sentinel Haus Institut), Schimmelsanierung, Algen und Pilze. Aber auch Sondertechniken beziehungsweise der kreative Umgang mit Farbe und Material ist eine Stärke des Betriebs. »Schon mein Großvater und Firmengründer Anton Geiselhart war Kunstmaler und Maler in einer Person. Diese Tradition setzen wir mit eigens in diesem Bereich tätigen Meistern und
erfahrenen Fachkräften in der dritten Generation fort. Kunst am Bau ist unsere Leidenschaft«, bestätigt Roman Geiselhart.
Er betont, dass seine Mitarbeiter in der Region nicht als »Anstreicher« betrachtet werden, sondern seit vielen Jahrzehnten ein deutlich besseres Image haben. Dafür sorgt auch das hauseigene »Atelier«, das die Farbgebung von Schulen, öffentlichen Gebäuden aber auch von Privathäusern übernimmt. Seine Tante Monika Geiselhart ist hier beratend tätig. Vor Kurzem bekam beispielsweise die Realschule in Münsingen einen neuen Aufenthaltsraum. Roman Geiselhart: »Wir haben zusammen mit den Schülern die Farb gebung des Raumes gestaltet und so den Kindern zugleich unseren Beruf nähergebracht. Interessierte Schüler konnten danach ein Praktikum bei uns absolvieren. Das war für alle Beteiligten eine tolle Sache – das werden wir auch hier in Pfullingen in Angriff nehmen.«
Damir Mioc
Ausgabe 10 / 2017
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