04. Dezember 2017

»Mitarbeiter sind unser Stammkapital«

Außenputz, Fassadenstuck, Gebäude
1. Referenzobjekte von Vorwerk: Mit Fassadenstuck, Fenstergewänden, Fensterbankprofilen und Bossenpfeilern an den Hausecken ist dieses Gebäude ein echter Blickfang geworden. Der fein gefilzte Außenputz rundet das Ganze ab.

Fachkräfte gewinnen und halten: dafür braucht es unkonventionelle Wege. Zum Beispiel einen Flüchtling nicht abweisen. Oder dem Junggesellen eine Fortbildung in Italien ermöglichen. Frank Vorwerk von der Firma Heinz Vorwerk GmbH hat viele Ideen im Kopf.

Als Frank Vorwerk im Frühsommer dieses Jahres die Tür öffnete, war er einigermaßen überrascht. Vor ihm stand ein junger Mann. Es kommt zwar immer wieder vor, dass sich Bewerber spontan bei der Firma Heinz Vorwerk GmbH in Warendorf melden. Doch zum ersten Mal stand da ein Flüchtling. Mohammad aus Afghanistan hielt dem Firmenchef höflich einen Zettel unter die Nase, auf dem stand, dass er Arbeit suche. Vorwerk zögerte nicht lange, als er merkte, dass Mohammad ganz gut Deutsch sprach. »Der junge Mann hat uns wohl vorher auf der Ausbildungsmesse in Münster gesehen«, erzählt Frank Vorwerk. Nach dem ersten positiven Eindruck holte er ihn ins Büro.

 

2. Die Listel-Putztechnik ist eine patentierte Technik, die speziell zur Gestaltung von Putzfassaden
entwickelt wurde. Besonders an Giebelflächen, Türen, Fenstern und Sockeln ermöglicht die Listel-Putztechnik
fugenlose, farbige Motive. Die Technik kann als gestalterisches Element zur markanten Fugenausbildung
eingesetzt werden

 

Erst Praktikum, dann Vertrag

Dann vereinbarte er ein zweiwöchiges Praktikum. In dieser Zeit wurde schnell klar, dass Mohammad Jafari handwerklich geschickt war und seine Angaben über frühere berufliche Tätigkeiten wohl stimmten. »Er hat uns erzählt, dass er schon vor der Flucht als selbstständiger Stuckateur in Afghanistan und im Iran gearbeitet hat«, so Vorwerk. Also wurde das Praktikum verlängert. Und wenn es nach Frank Vorwerk gegangen wäre, hätte der 36-jährige Flüchtling schon Anfang August eine Ausbildung bei ihm beginnen können. Doch die Korrespondenz mit Ausländerbehörde und Arbeitsamt gestaltete sich aufwendiger als gedacht. Zum ersten September klappte es schließlich mit dem Ausbildungsvertrag. Dass Mohammad Jafari auf der Baustelle von Anfang an motiviert war und schon Deutsch sprechen konnte, war für den Stuckateurbetrieb eine wichtige Bedingung, sagt Frank Vorwerk rückblickend.

Mit Sprachkurs kann es klappen

Eingesetzt wurde der Afghane unter anderem bei Stuckarbeiten im Außen- und Innenbereich. Auf der Baustelle zeigte sich, dass er mit Maschinen kaum vertraut war. »Er rührte das Material anfangs selbstverständlich von Hand«, erinnert sich Vorwerk. Mohammad Jafari hat viel gelernt die letzten Monate. »Er will alles wissen und hat eine gute Auffassungsgabe«, bestätigt sein Ausbilder. Die Zwischenberichte vom Lehrbauhof Münster, der überbetrieblichen Ausbildungsstätte für Bauberufe der Baugewerbe-Innung Münster, lassen ebenfalls hoffen.

3. Frank Vorwerk, Geschäftsführer von der Heinz Vorwerk GmbH,
über seinen afghanischen Azubi: »Ich würde es wieder machen«

4. Einfach probieren, dachte Mohammad Jafari,
als er bei Vorwerk vor der Tür stand. Heute hat er
einen Ausbildungsvertrag in der Tasche

5. Eben die Ausbildung beendet, und schon lässt ihn der
Betrieb zur Fortbildung nach Italien: Jonathan Plaszczyk in
Thiene

Die Leistungen sind gut, allerdings wird ein Sprachkurs empfohlen. Der Betrieb hat Hilfe angeboten, doch ­Mohammad ist so motiviert, dass er sich selbst darum kümmern will. Noch sind nicht alle Hürden genommen, das Asylverfahren läuft noch. Aber auch falls der Asylantrag abgelehnt würde, ist Vorwerk zuversichtlich. Denn laut Bundes-Integrationsgesetz haben abgelehnte und junge geduldete Asylbewerber die Sicherheit, während der dreijährigen Ausbildung in Deutschland bleiben zu dürfen. Darüber hinaus erhalten diese Azubis nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung eine zweijährige Aufenthaltserlaubnis, wenn sie eine Arbeitsstelle aufnehmen können, die ihrer Ausbildung entspricht. Danach ist eine weitere Aufenthaltsgewährung möglich.

In diesen fünf Jahren sind sie also vor Abschiebung geschützt. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erteilt der Gesetzgeber eine Duldung für eine Ausbildung jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen: wenn keine Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorstehen, wenn der Betroffene nicht aus einem sicheren Herkunftsland stammt und wenn er die Aufenthalts­beendigung durch sein Verhalten nicht verschuldet hat. Die bürokratischen Hürden seien hoch, sagt Vorwerk. Viele Telefonate, Formulare und Rückfragen der Behörden müssen beantwortet werden. »Man braucht einen langen Atem.« Trotzdem, er bereue seine »Spontanentscheidung« nicht, es einfach zu probieren. »Mitarbeiter sind schließlich unser Stammkapital.«

Mindestens einmal im Jahr besucht jeder von ihnen eine Fortbildung. »Jeder Einzelne ist ein Könner in seinem Fach und arbeitet dem anderen zu. Nur so kann das Ganze im Detail überzeugen und begeistern«, das gehöre eben zur Firmenphilosophie. Sicher waren es auch die positiven Erfahrungen mit Mohammad, die Vorwerk bewogen haben, den Weg der Integration weiterzu­gehen. Demnächst beginnt ein junger Syrer sein Praktikum. Ein Jahr soll es dauern. Während seiner schulischen Ausbildung wird er die Fachoberschule besuchen, einen Tag pro Woche wird er im Stuckateurbetrieb arbeiten.

6. Architektur veredeln in der Denkmalpflege: Aufwendige
Stucksanierung innen und außen (Fotos: Vorwerk)

Mit Fortbildung voll motiviert

Mitarbeitermotivation, sagt Frank Vorwerk, sei wichtig. Deshalb darf sein Junggeselle Jonathan Plaszczyk derzeit eine spannende Reise durch die Geschichte des Stuckateurhandwerks unternehmen. Frank Vorwerk gab ihm den Tipp, sich für ein Stipendium zu bewerben, am Europäischen Zentrum für Berufe in der Denkmalpflege in Thiene, in der italienischen Provinz Vicenza. Kurz zuvor noch als Innungs-Bester im Stuckateur-Handwerk ausgezeichnet, erhielt er prompt die Zusage. »Italien ist ein ideales Ausbildungsland. Dort hat man die Oberflächen, die wir hier heute kennen, bereits in der Renaissance verbaut. An diesem Geburtsort der Stuckateure vermischen sich Handwerk und Kunst miteinander«, schwärmt Vorwerk.

Im Centro Europeo per i Mestieri del Patrimonio (Europäisches Zentrum für Berufe in der Denkmalpflege »Villa Fabris«) wird Jonathan zwölf Wochen lang in den hauseigenen Werkstätten mit anderen Mitstudenten aus aller Welt fachsimpeln, lernen, ausprobieren und auch bei Bauprojekten mitmachen. Auf dem Ausbildungsplan stehen unter anderem Dekormalerei, Arbeiten mit Stein, Holz und Metall sowie die Oberflächenbehandlung und Wandmalerei. Auch die Methoden der historisch-künstlerischen Forschung sowie das Wissen zur Restaurierung kommen nicht zu kurz. Im letzten Drittel der Ausbildung werden die Stipendiaten auf italienischen Baustellen arbeiten und das Gelernte in die Praxis umsetzen. »Das Stipendium des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, das vom Zentralverband des Deutschen Handwerks verwaltet wird, macht diese tolle Fortbildung möglich«, erzählt Vorwerk. Und die Firma leistet einen Beitrag. Sie zahlt dem Gesellen, der mit seiner jungen Familie nach Italien gereist ist, während der drei Monate ein Teil­gehalt weiter.

Christine Speckner ist freie Journalistin und
lebt bei Freiburg. www.christine-speckner.de

Ausgabe 12 / 2017

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