Ohne Biozide gegen Veralgung

Anzeige
Neue oder modernisierte Fassaden sollen sauber und algenfrei bleiben. Experte Dr. Uwe Erfurth empfiehlt deshalb: »WDVS sollten mit einem gut saugfähigen mineralischen Oberputz als Pufferspeicher und Silikatfarben als hydroaktiver Schlussbeschichtung ausgerüstet werden.«
Sichtbare Schmutzablagerungen schon nach kurzer Zeit und bald darauf die Ansiedlung von Mikroorganismen auf wärmegedämmten Fassaden sind weit mehr als nur ein Ärgernis. Sie können als optischer Mangel für Planer oder Handwerker schnell Gegenstand handfester Auseinandersetzungen um Gewährleistungspflichten werden. Mit Algenschutzbeschichtungen lässt sich der Vorgang zwar etwas hinauszögern, aber kaum dauerhaft verhindern, denn die Biozide sind auswaschbar und verlieren dadurch innerhalb weniger Jahre ihre Wirksamkeit.
Auch die hoch hydrophobe, also stark wasserabweisende Ausrüstung des Oberputzes oder der sogenannte Lotus-Effekt erweisen sich zunehmend als Irrweg beim Kampf um saubere und sauber bleibende Fassaden. Deutlich mehr Erfolg zeigt hingegen die Rückbesinnung auf die bewährten rein mineralischen Oberflächen. Wie Forschungen zeigen, reduzieren mineralische Systemaufbauten von Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS) das Risiko der Verschmutzung und Algenbildung auf der Fassade erheblich. Und dies ohne den Einsatz umweltschädigender Biozide! Die hydroaktiven Oberflächen mineralischer WDVS trocknen schneller als organische Systeme und entziehen den Mikroorganismen mit dem Wasser ihre Lebensgrundlage. Ein solcher rein mineralischer, hydroaktiver Aufbau lässt sich mit dem Ytong Multipor WDVS, einem mineralischen Oberputz sowie einem Anstrich mit Silikatfarbe herstellen.
Prozess der Austrocknung
Herzstück des Systems ist die Multipor Mineraldämmplatte mit einer Wärmeleitfähigkeit von 0,045 W/(mK), die durch ihre vergleichsweise hohe Masse eine gute Wärmespeicherung bietet und damit den Prozess der Austrocknung zusätzlich unterstützt. WDVS reduzieren den Heizenergieverbrauch, weil weniger Wärme durch die Außenwände verloren geht. Die Systeme haben sich im Sinne der Energieeffizienz von Gebäuden bewährt, ihre Energieeinsparungen senken für die Bewohner die Heizkosten und leisten einen wichtigen Beitrag für die politisch vorgegebenen Ziele bei der Senkung des CO2-Ausstoßes.
Durch die bestimmungsgemäße Funktion der WDVS kühlen die äußeren Fassadenoberflächen jedoch stärker aus und bleiben damit länger feucht. Das feuchte Mikroklima bietet günstige Voraussetzungen für das Anhaften von Schmutzpartikeln und die Ansiedlung von Mikroorganismen, unter denen neben Pilzen vor allem Algen eine bedeutende Gruppe bilden, weshalb oft auch kurz von der Veralgung der Fassade gesprochen wird.
Biozide sind Gift für die Natur
Der häufig unternommene Versuch, dem Bewuchs mit bioziden Ausrüstungen der Oberflächen zu begegnen, kann nur einen vorübergehenden Schutz bieten, wie Dr. Uwe Erfurth erklärt: »Diese Anti-Algen- oder Anti-Pilzmittel sind Gifte, die für ihre Wirksamkeit notwendigerweise wasserlöslich sein müssen. Dadurch werden sie aus der Fassadenbeschichtung ausgewaschen und reichern sich in der Umwelt an.« Der Diplom-Chemiker ist ein entschiedener Verfechter biozidfreier Bauweisen. »Biozide werden weder in der natürlichen Umwelt noch in Kläranlagen abgebaut. Allein für Deutschland bedeutet dies einen jährlichen Schadstoffeintrag von rund 5000 t. Am Gebäude hingegen sind die Giftdepots meist nach etwa zwei bis drei, manchmal auch erst nach sechs Jahren ausgewaschen, dann aber schon unter der Wirksamkeitsgrenze.« Danach kommt es zu einem Bewuchs oder es wird ein neuer biozider Anstrich mit seinen Umweltfolgen vorgenommen.
Hydroaktive Oberflächen
Ein anderer Teil der bisherigen Strategie gegen die Veralgung von Fassaden ist die Beschichtung der WDVS mit stark wasserabweisenden (hydrophoben) Kunstharzputzen und Dispersionsfarben. »Versprochen werden Abperleffekte und eine Selbstreinigung nach dem Lotus-Prinzip. Das soll angeblich zu einer schnelleren Trocknung der Oberflächen führen, was sich aber in der Praxis nicht nachweisen lässt«, sagt Dr. Uwe Erfurth. »Im Gegenteil: Die Grundlagenforschung am Fraunhofer Institut für Bauphysik in Holzkirchen zeigt, dass hydrophobe Oberflächen länger feucht sind als solche mit angepasster Saugfähigkeit. Denn die jährliche Feuchtebelastung der Fassaden durch Tauwasser ist größer als diejenige durch Schlagregen.«
Wichtig: Abtrocknung der Oberfläche
Speziell an den morgendlichen und abendlichen Übergängen zwischen Tag und Nacht sowie in den Übergangsjahreszeiten Frühling und Herbst steht das Tauwasser für viele Stunden in feinen Tropfen auf wasserabweisenden Fassadenoberflächen. Mikroorganismen finden dann ausgezeichnete Lebensbedingungen vor und können entsprechend gut wachsen. Das Fazit des Experten lautet darum: »Eine niedrige Wasseraufnahme ist wünschenswert, wichtiger ist die schnelle Abtrocknung der Oberfläche. Diese wird begünstigt durch saugfähige Oberflächen mit hydroaktiven Eigenschaften und niedrigem Diffusionswiderstand, wobei Beschichtung und Putzaufbau als Einheit zu betrachten sind. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass stark saugfähige mineralische Oberflächen, die mit reiner Silikatfarbe gestrichen werden, in der Regel von Mikroorganismen frei bleiben.« Auch die gute Benetzbarkeit solcher Oberflächen spielt eine große Rolle, weil Partikel und Keime besser abgespült werden als von hydrophoben Oberflächen.
Abgestimmte Saugfähigkeit
Genau dem eben beschriebenen Aufbauprinzip folgt das Ytong Multipor Mineraldämmsystem, wenn es mit einem mineralischen Oberputz in angepasster Saugfähigkeit eingesetzt wird. Die Feuchtigkeit aus Schlagregen oder Tauwasser wird in den kapillaraktiven Oberputz aufgesaugt und dort wie in einem Pufferspeicher zwischengelagert. Anders als bei hydrophoben Oberflächen spreitet jeder Tropfen stärker, fließt also von der klassischen Kugel- in eine breitere Linsenform, was die Oberfläche vergrößert und damit auch die Verdunstung der Feuchtigkeit beschleunigt. Durch die sich überlagernden Prozesse der Absorption und der Verdunstung steht auf der Oberfläche kein Wasser zur Verfügung, das die Schmutzanhaftung und die Ansiedlung von Mikroorganismen fördern könnte. Die reduzierte Wasseraufnahme des Armierungsmörtels im Multipor-WDVS stellt sicher, dass die im Oberputz gepufferte Feuchtigkeit nicht in die Dämmschicht dringen kann. Stattdessen trocknet der Oberputz in regen- und taufreien Perioden des Tages nach außen wieder aus. Es ist die Kombination aus genau abgestimmter Saugfähigkeit und kapillarer Aktivität aller Komponenten, die zum hydroaktiven, schnell trocknenden und damit bewuchshemmenden Effekt auf mineralischen WDVS führt. Mit dem Multipor Wärmedämm-Verbundsystem kann auf die umweltbelastenden und ohnehin nur befristet wirkenden Biozide komplett verzichtet werden.
Wärmespeichernd und »spechtsicher«
Die im Vergleich etwa zu Polystyrol oder Mineralwolle relativ schwere Mineraldämmplatte unterstützt die Trocknung der Oberflächen aktiv. Sie weist mit ihrer hohen Masse ein hohes Wärmespeichervermögen auf. Die gespeicherte Wärme erhöht die Temperatur der äußeren Oberfläche des WDVS und die Verdunstung von Feuchtigkeit. Durch die hohe Rohdichte von 110 kg/m³ entsteht ein druckfester Systemaufbau, der beim »Klopftest« wie eine massive Wand klingt. Spechtschäden sind ausgeschlossen und Nager beißen sich die Zähne aus.
Die Multipor Mineraldämmplatte gewährleistet nicht nur einen Wärmeschutz für die Außenwände, sondern sorgt auch für Brandschutz. Das vollmineralische System gehört zur Baustoffklasse A und ist nicht brennbar. Dadurch entfallen aufwendige Materialwechsel im Bereich der erforder-lichen Brandriegel und die Fassade kann oberhalb der Hochhausgrenze ohne Einschränkungen eingesetzt werden.
Der stabile Aufbau des vollmineralischen WDVS sorgt im Zusammenspiel mit dem Brandschutz und dem giftfreien Schutz gegen Verschmutzung und Mikroorganismen für funktional und optisch dauerhafte Fassaden mit einer Wärmedämmung nach den heutigen Anforderungen – die auch hinsichtlich der Unbedenklichkeit für die Umwelt und die menschliche Gesundheit erfüllt werden.
Olaf Kruse,
Xella
Abbildungen: Xella Ausgabe: 10/2013