27. Juni 2012

Abruch der Lehre - muss nicht sien

Das Handwerk weist im Vergleich aller Ausbildungsbereiche die höchste Quote von Abbrüchen einer Lehre auf. Während bezogen auf 2008 insgesamt jeder fünfte Ausbildungsvertrag bereits in den ersten beiden Jahren aufgekündigt wurde, war es im Handwerk fast jeder Vierte. Das stellt Betriebe wie junge Leute vor erhebliche Probleme. Die Landes-Gewerbeförderungsstelle des nordrhein-westfälischen Handwerks (LGH) hat dies schon vor längerer Zeit erkannt und im Rahmen von Förderprojekten des Landes NRW, des Bundes und der Europäischen Union zahlreiche Materialien und Medien erarbeitet, die helfen, einen Lehrabbruch zu vermeiden.

Der umfangreiche Bericht „Bildung in Deutschland“, den die Kultusministerkonferenz und das Bundesbildungsministerium in der vergangenen Woche vorlegten, stellt der „Wirtschaftsmacht von nebenan“ nicht gerade ein gutes Zeugnis aus, was die Harmonie während der Ausbildung anbetrifft. Über die Jahre habe sich „ein relativ stabiles Muster in den Anteilen an Vertragsauflösungen eingeschliffen“ und innerhalb dieses Musters liege das Handwerk ganz vorne. Bei Malern und Lackierern endeten 28 Prozent der Ausbildungsverträge bereits in den ersten beiden Jahren, bei Bäckern, Konditoren und Fleischern sogar in jedem dritten Fall. Im handwerklichen Durchschnitt trennen sich 15 Prozent der Azubis und Lehrbetriebe bereits im ersten Jahr, weitere gut acht Prozent kommen im zweiten Jahr dazu. Innerbetriebliche Gründe wie Konflikte mit Meistern oder Ausbildern werden primär als Ursache genannt, aber auch die mangelnde Vermittlung von Lehrinhalten. Viele Jugendliche führen zudem persönliche oder berufswahlbezogene Gründe an.

Junge Leute in den Beruf einzuführen ist in der Tat eine Aufgabe mit manchen Schwierigkeiten. Nicht nur fachliche Qualifikationen müssen vermittelt werden, sondern die Ausbilder sollen auch die Persönlichkeitsentwicklung unterstützen und müssen in nicht wenigen Fällen schulische Defizite aufarbeiten. Bei alledem kann es zu Störungen oder gar Konflikten kommen. Betriebliche Ausbilder im Umgang mit solchen Spannungen zu stärken ist das Ziel der LGH-Broschüre „Konfliktfähigkeit fördern – Ausbildungsabbrüche vermeiden“. Sie sowie eine DVD mit Filmsequenzen zu zentralen Konfliktthemen während der Lehre und ein Begleitheft unter dem Titel „So nicht!" wurden im Projekt „Ziellauf - Initiative zur Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen" erstellt und sind bei der LGH erhältlich. Schauspieler zeigen in kurzen Szenen, wie Streitfälle rund um Umgangsformen, Erscheinungsbild, unliebsame Arbeiten und Überstunden ablaufen. Anschließend werden die Sicht des Lehrlings und des Unternehmers dazu dargestellt sowie Hintergründe und Lösungsmöglichkeiten des Konflikts erläutert.

Das Alter, in dem junge Leute in die Ausbildung übergehen, stellt für sie eine schwierige Entwicklungsphase dar: Ihre Lebensumstände ändern sich erheblich, sie sehen sich vor neuen Herausforderungen, auch in ihrer inneren Situation gibt es viele Umbrüche und neue Lernprozesse. Die 18-seitige Broschüre „Baustelle im Kopf - Ärger im Betrieb? - Tipps für einen motivierenden Umgang mit Auszubildenden" soll Ausbilder dabei unterstützen, mit dieser Phase konstruktiv umzugehen. Anhand von Beispielen aus dem betrieblichen Alltag und mit Hilfe von Praxistipps werden Wege verdeutlicht, wie sie nicht nur die Konflikte mit ihren Lehrlingen entspannen, sondern sogar deren Lernprozesse begünstigen und ihre Motivation fördern können. Das Heft „übersetzt“ wichtige Ergebnisse aus der Hirnforschung für die betriebliche Praxis.

Ähnlich informativ sind die Broschüren „Erfolgreich ausbilden“ für Unternehmen, die erstmals Lehrlinge haben, „Chancen nutzen – Die Ausbildung junger Frauen im Handwerk“ und „Igor, Hülya, Angelos – Tipps für die betriebliche Ausbildung von jungen Menschen mit Zuwanderungshintergrund“. Auch sie sind kostenfrei bei der LGH zu beziehen (www.lgh.de, Bereich „Publikationen“; oder per E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) beziehungsweise stehen auf der Webseite www.ziellauf.de zum Download bereit.

 

Das preisgekrönte Computerlernspiel „The Skillz“ kann ebenfalls dazu beitragen, zwischenmenschliche Spannungen zu verhindern oder abzubauen. Es soll die interkulturellen Handlungskompetenzen von Jugendlichen in der Berufsausbildung stärken und steht zum kostenlosen Download aus dem Internet zur Verfügung (www.the-skillz.de). In dem Spiel werden interkulturelle Vorurteile aufgedeckt und kulturelle Zuschreibungen gelöst. Auf diese Weise soll deutlich werden, welche Vorteile es bringt, ein gemischt-kulturelles Arbeitsteam aufzubauen, und wie es gelingen kann, ein solches Team zu bilden. Fast wie nebenbei wird die Reflexionsfähigkeit gestärkt und manche Fallen im Miteinander werden aufgedeckt. Immer wieder wird deutlich, dass viele Konflikte auf kommunikativer Ebene gelöst werden könnten, dass also Reden tatsächlich hilft.

Ein aktuelles Projekt der LGH soll sozusagen präventiv auch gegen Probleme in einer späteren Lehre tätig werden: „14plus - Gesellschaftliche und berufliche Integration von jungen Menschen in städtischen Problemgebieten“ heißt es und verbindet Demokratie-Lernen mit Berufswahlorientierung. Es begleitet an 20 Schulen in Ahlen, Baesweiler, Eschweiler, Bielefeld, Brakel, Dortmund, Duisburg, Gelsenkirchen, Hamm, Iserlohn, Köln, Wuppertal und Münster über vier Jahre hinweg Schüler von der Klasse 7 bis zum Übergang in eine Ausbildung oder die Sekundarstufe II. Sie absolvieren Betriebs- und Werkstattpraktika, Betriebsbesuche und Eignungsanalysen, erhalten Bewerbungstrainings und Berufsberatungen. Das schärft ihren Blick für ihre Fähigkeiten und Neigungen einerseits und auf den Alltag in der Wirtschaft andererseits. Parallel bekommen sie Angebote zur politischen Bildung, Gesellschaftslehre und Konfliktlösung „14plus“ realisiert die LGH mit Fördermitteln des Landes, der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit und der EU und unter Mitwirkung von Bildungsträgern aus Handwerk und Industrie (www.14plus-nrw.de).