Flexibel und multifunktional

Mineralische Dichtungsschlämme werden als flüssig aufzutragender Abdichtungsstoff seit Jahrzehnten für Bauwerksabdichtungen erfolgreich eingesetzt. Autor Rainer ­Spirgatis schafft Klarheit über die Anwendungen im Sockelputz- und WDVS-Bereich.

Mineralische Dichtungsschlämme (MDS) können aus ein-/zweikomponentigen Massen auf Basis von Zement, Gesteinskörnungen und besonderen ­Zuschlag-/und Zusatzstoffen bestehen. Unterschieden wird in ­flexible, riss­überbrückende und nicht rissüberbrückende (starre) MDS. Die Art der ­Zugabeflüssigkeit bewirkt die hydrau­lische Abbindung vornehmlich starrer Systeme. Mineralische Dichtungsschlämme mit reaktiv vernetzenden Kunststoff­dispersionen weisen ­neben der hohen Haft- und ­Rissüberbrückung weitere bautaugliche Eigenschaften auf. Die MDS der neuesten ­Generation sind hoch riss­überbrückend und nach Aussagen der Hersteller mit den erweiterten Eigenschaften und Anwendungsbereichen gegenüber den marktüblichen, flüssig aufzubringenden Abdichtungsstoffen:
• naht- und fugenlose Bauwerksabdichtung im erdberührten Bereich, im Sockelbereich, unter WDV-System, im Wandquerschnitt, von Klinkeraufstandsflächen und geeignet als Karbonatisierungsbremse bei Beton
• Abdichtung von Betonflächen und Bodenplattenabdichtungen
• Abdichtung im Verbund mit Fliesen und Plattenbelägen in Feucht- und Nassräumen, von Balkonen, Terrassen, und Laubengängen
• geeignet als Klebe- und Armierungsmasse zur Verklebung von extrudierten Polystyrol-Hartschaumplatten und Mineralfaserdämmplatten
Der Abdichtungsbaustoff kann gestrichen, gespachtelt oder mit geeignetem Gerät gespritzt werden. Nach Verfilmung, der vollständigen Durchtrocknung der MDS kann diese mit Disper­sionsfarben oder Putzen überarbeitet werden. Die Anwendungen umfassen senkrechte und waagerechte Flächen, und können auch unter Estrichen eingesetzt werden. Sie sind geeignet für alle tragfähigen, bauüblichen Untergründe. Dieser flüssig aufzutragende Abdichtungsstoff haftet auf allen tragfähigen, bauüblichen mineralischen ­Untergründen mit hoher Untergrund­haftung. In der Instandsetzung bituminöser Bauwerksabdichtungen haftet diese riss­überbrückende MDS auf alten bitumenhaltigen Anstrichsystemen und kunststoffmodifizierten Bitumendick-
beschichtungen.

Ein Blick auf die Regelwerke
Die breite Marktakzeptanz der kunststoffmodifizierten Bitumendick­beschichtungen (KMB) und die seit ­Ende der 1960er-Jahre erfolgreiche ­Anwendung dieser Produktgruppe ­führte im August 2000 zur Aufnahme in die DIN 18195 – Bauwerksabdichtungen. Im Stoffteil der DIN 18195-2 wurde KMB mit seinen Eigenschaften und Anforderungen definiert und die Art der Überwachung festgelegt. In ­diesem Zusammenhang wurde auch die Liste der zu verwendenden Hilfsstoffe, wie Verstärkungseinlagen, erweitert. Im Zuge der Novellierung des Teils 7 für »Abdichtungen gegen von innen drückendes Wasser« wurden bis dato noch nicht aufgenommene Abdichtungsprodukte, wie Verbundabdichtungen (AIV), Mineralische Dichtungsschlämme (MDS) und Flüssigkunststoffe (FLK), berücksichtigt. Diese Baustoffe sind für erdberührte Abdichtungen im Neubaubereich allerdings nur verwendbar, wenn ein allgemein bauaufsichtliches Prüfzeugnis (abP) vorliegt und dessen Anwendung in den jeweiligen Teilen der DIN 18195 geregelt ist. Ist der beabsichtigte Anwendungsfall von der DIN 18195 nicht ­geregelt, die stofflichen Eigenschaften aber durch ein abP nachgewiesen, gilt es Vereinbarungen mit dem Bauherren zu treffen. Für die Anwendung von ­Mineralischen Dichtungsschlämmen gilt es, die DIN 18195 – Bauwerksabdichtungen, Teil 1 bis 10 und den jeweiligen Normenteil in der neuesten Ausgabe zu beachten. Die Anwendung als erdberührende Bauwerksabdichtung stellt zurzeit noch eine Abweichung zur DIN 18195 dar. Auf diese Abweichung gilt es den Auftraggeber ausdrücklich hinzuweisen und ein aufklärendes ­Gespräch mit ihm zu führen. Über den Inhalt dieses Aufklärungsgespräches hat der Auftragnehmer eine Niederschrift anzufertigen und aus ­Beweisgründen vom Auftraggeber ­unterschreiben zu lassen. Abschließend ist entsprechend der VOB (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen) im Teil C »Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) Abdichtungsarbeiten der DIN 18336«, gemäß Abschnitt 0.3, die Ausführung mit einer Mineralischen Dichtungsschlämme eindeutig und im Einzelnen für die erdberührte Bauwerksabdichtung im Neubaubereich zu beschreiben. ­Dieses ist dann im ­Leistungsverzeichnis anzugeben.

Richtlinien und WTA-Merkblätter
Da die Anwendung von Sockelabdichtungen mit MDS etabliert ist und den allgemein anerkannten Regeln der Baukunst entspricht, wird diese Form der Fassadenabdichtung in der Nachfolgenorm der DIN 18195 gerecht. Die Überarbeitung der DIN 18533 »Abdichtungen für erdberührte Bauteile/Abdichtungen in und unter Wänden« wird voraussichtlich im kommenden Jahr abgeschlossen sein, und sieht ebenfalls die Anwendung von Mineralischer ­Dichtungsschlämme als Querschnittsabdichtung in und unter Wänden vor. Derzeit werden weiterführende ­Planungsdetails und Ausführungshilfen für Abdichtungen im Neu- und Altbau in der »Richtlinie für die Planung und Ausführung von Abdichtungen erdberührter Bauteile mit flexiblen Dichtungsschlämmen«, der Deutschen Bauchemie gegeben. Für nachträgliche Bauwerksabdichtungen im erdberührten Bereich gilt das WTA-Merkblatt 4-6-05/D »Nachträgliches  Abdichten erdberührter Bauteile«. Im Zuge der Instandsetzung von Bauwerksabdichtungen erdberührter Bauteile regelt das WTA-Merkblatt 4-6 die Anwendung von Mineralischen Dichtungsschlämmen (MDS) für nachträgliche Außen-/ Innen- und Sockelabdichtungen.

Der Sockel - das fußkranke Wesen
Im Bereich der erdberührten Bauwerksabdichtung und des durch Spritzwasser belasteten Bereiches gibt die DIN 18195 zahlreiche Unterstützung, aber nicht für alle Anwendungen und Bereiche der ­Planung und Ausführung von erdberührten Bauwerksabdichtungen ­Unterstützung. Richtlinien und Merkblätter der Fachverbände schließen ­diese Lücke und ­geben Hinweise auf den Stand der Technik. Dieses wurde zuletzt erst im Januar mit dem Merkblatt der Fachverbände der Stuckateure für Ausbau und Fassade und Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Baden-Württemberg mit der nunmehr in 3. Auflage überarbeiteten »Richtlinie für die fachgerechte ­Planung und Ausführung des Fassadensockelputzes sowie des Anschlusses der Außenanlage« unter Beweis gestellt. Der Sockel ist der unterste, erdberührende Teil einer ­Gebäudefassade. Dieser Bereich oberhalb des Terrains muss zugleich den ­gestalterischen und optischen Ansprüchen der Bauherren genügen und als Spritzwasserschutz seine Funktion erfüllen. Der Sockel muss mit verwitterungs- und wetter­beständigen Baustoffen bekleidet ­werden und gegen Beanspruchungen, wie zum Beispiel starke Niederschläge, dauerhaft beständig sein. Der Sockel muss abgedichtet ­werden. Im Übergang zum Erdreich ist der Sockel zusätzlich mit aus dem ­Boden aufsteigender Feuchte behaftet. Daher ist die Sockelabdichtung mit der erdberührten Bauwerksabdichtung zu verbinden. Von der Putz- über die gedämmte bis zwei­schalige, steinsichtige Lösung finden sich zahlreiche Sockelkonstruktionen. An den mit der Planung Beauftragten, an den Ausführenden und die einzusetzenden Materialen werden jeweils hohe und je nach Konstruktion unterschiedliche Anforderungen gestellt. ­Dieses komplexe Aufgabenprofil führt leider immer wieder zu Ausführungsfehlleistungen, so dass der Sockel die Hitliste der Bauschadens­bereiche mit anführt. Die Koordination der Gewerke, die auf einer detaillierten ­Planung fußt, ist die unabdingbare ­Voraussetzung für eine erfolgreiche Sockelsanierung. Es gilt den Grundsatz zu befolgen: Alle vom Boden berührten Außenflächen der Umfassungswände eines Gebäudes sind sowohl gegen seitliche als auch gegen aufsteigende Feuchtigkeit dauerhaft abzudichten!

Instandsetzung - Planung
Die Planung muss allen Beteiligten zugänglich sein und die Koordination der unterschiedlichen Gewerke berücksichtigen, wie Rohbauunternehmer, Bautenschützer, Putz- und Stuckbetriebe, ­Maler, Fliesen-, Platten- und Mosaik­leger. Es gilt: erst analysieren, dann fachgerecht sanieren. Die Hauptur­sachen für Schäden an Gebäudesockeln sind fehlende, nicht fachgerecht ­geplante oder mangelhaft ausgeführte Abdichtungsmaßnahmen.

Instandsetzung – Abdichtung
Ohne Bauwerks-/Bauteilabdichtung ist keine dauerhafte Sanierung möglich. Der Gebäudesockel ist bis mindestens 30 cm über Geländeoberkante abzudichten! Im Besonderen ist darauf zu achten, dass zwischen Sockelabdichtung und erdberührter Bauwerksabdichtung keine Fehlstelle, Fuge oder Lücke entsteht. Um den Abdichtungsgrund tragfähig vorzubereiten, müssen jegliche, die Haftung beeinträchtigenden Mörtelreste, Schlämmen und ­Anstriche vom Mauerwerk entfernt werden. Die durch Schadsalze belasteten Mauerwerksfugen sind zirka 20 mm tief auszukratzen und neu zu verfüllen. Der Untergrund muss frostfrei sein und Oberflächentemperaturen oberhalb von fünf Grad Celsius aufweisen. Er ist ­mechanisch zu reinigen und ausreichend vorzunässen. Um den Übergang zwischen Sockelabdichtung und erdberührter Abdichtung optimal zu verbinden, wird nach herkömmlicher Vorgehensweise eine 10 cm breite Über­lappung zwischen diesen beiden Abdichtungsarten hergestellt. Im All­gemeinen wird dabei die Abdichtung oberhalb des Erdreichs zuerst erstellt und mit der erdberührten Bauwerks­abdichtung überarbeitet.

Zwei Arbeitsgänge notwendig
Eine Ausführung mit einem Abdichtungsmaterial und damit ohne Überlappung war bisher meist nicht möglich, da das Anforderungsprofil für die ­beiden verschiedenen Abdichtungsarten sehr unterschiedlich ist. Häufig werden im Bereich der erdberührten Abdichtung kunststoffmodifizierte Bitumen­abdichtungen eingesetzt, die über eine hohe Druckbelastbarkeit, eine Riss­überbrückung von mindestens 2 mm, ­Wasserdichtigkeit und weitere Para­meter aus dem Anforderungsprofil der Produktgruppe KMB verfügen müssen. Anders sieht das bei der Abdichtung oberhalb des Erdreichs aus. Hierfür sind  Anforderungen aus dem Profil der nicht und der rissüberbrückenden Mineralischen Dichtungsschlämme (MDS) maßgebend, wie hohe Haftzugfestigkeit für nachfolgende Oberbeläge, positive  Druckwasserbeständigkeit oder Riss­überbrückung von mindestens 0,4 mm. Generell gilt für beide Abdichtungsarten eine Ausführung in zwei Arbeitsgängen, die ohne Fehlstellen als zusammenhängende Schicht auszuführen sind. Die Trockenschichtdicke beträgt 2 mm für die Wasserbeanspruchungen Bodenfeuchte/nicht stauendes Sickerwasser und 3 mm Mindesttrockenschichtdicke gegen stehendes Wasser.
Multifuktionale Mineralische Dichtungsschlämme vereinen die komplexen Eigenschaftsprofile von KMB und MDS. Sie werden seit einem knappen Jahrzehnt angewandt und eignen sich ­neben der flächigen, erdberührten Bauwerksabdichtung am Neubau und an Bauten im Bestand auch zur Abdichtung im Sockelbereich, als Abdichtung unter keramischen Belägen und werden zur Abdichtung zahlreicher Bauteil­details genutzt. Jede Form der geomet­rischen Konstruktion lässt sich mit diesem Baustoff dauerhaft abdichten. Anschlüsse zu jedem Bauteil sind möglich.

Abbildungen: 1+2: Spirgatis; 3: Schäfer Bautenschutz, Warburg - Scherfelde                                         Ausgabe: 7-8/2013