Alt wie neu

Beim Wettbewerb »Stuckateur des Jahres« erhielt die Sebastian Rost GmbH aus Berlin eine Anerkennung für Restaurierung und Sanierung. Den Sonderpreis gab es für die herausragende Spezialisierung im Bereich der Denkmalpflege. Wir stellen das Ausnahmeunternehmen vor.
Die wohl aktuell bekannteste Baustelle in Berlin – den Flughafen ausgenommen – ist das Humboldt Forum. Dort wo einmal das Berliner Stadtschloss stand und später der Palast der Republik der DDR stand, entsteht ein neues Gebäude, zum Teil als Rekonstruktion des alten Schlossbaus, aber im Grunde ein Neubau mit neuer Nutzung.
Auch Sebastian Rost und seine Mitarbeiter wirken dabei mit. Bei einem Rundgang im Frühjahr zeigt er die Ornamente und Rabitzdecken, die gerade im Entstehen sind. Wenn das Humboldt Forum fertiggestellt ist, wird es die Liste ansehnlicher Referenzobjekte von Rost weiter verlängern.
Und dort steht ganz weit oben die Staatsoper Unter den Linden in Berlin. In diesen Kulturtempel soll es zur Feier für die Auszeichnung gehen. »Das ist ein Dankeschön an die Mitarbeiter. Die ganze Mannschaft ist eingeladen«, sagt Sebastian Rost. Die Karten für das Event im September sind schon bestellt.
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2 Diese Fassade entstand als freier künstlerischer Entwurf. Die Ornamente wurden imCAD-Programmmit der Maus gezeichnet |
Die meisten der 30 Mitarbeiter kennen dieses Gebäude als ihre frühere Arbeitsstätte. Die Mitwirkung bei der Generalsanierung in den Jahren 2012 bis 2017 gehört zu den Höhepunkten des Berliner Stuckateurunternehmens. Dies liegt nicht nur an der der Einzigartigkeit dieses Denkmals in der historischen Mitte Berlins. Dort waren anspruchsvolle Aufgaben zu meistern, die das gesamte traditionelle Spektrum des Stuckateurhandwerks umfassten und vielleicht auch schon darüber hinausgehen. Zum einen ging es um Rabitzdecken, wie Abformungen, Ergänzungen und die Herstellung von Stuckelementen. Zum anderen um Rück- und Neuaufbau mit verbesserter Raumakustik und Anpassung an die moderne Beleuchtungstechnik.
Sehnsucht nach Schönheit
Alt oder neu – das ist vielleicht gar nicht so die Frage, die Sebastian Rost umtreibt. Wenn man sich mit ihm unterhält und seinen Aufsatz »Über den schönen Schein« liest, geht es ihm um Qualität und Handwerklichkeit – oder um die »Sehnsucht nach Schönheit« – wie die »Tageszeitung – taz« das Interview mit Sebastian Rost überschrieb. Danach ist das Wiedererwecken genauso wichtig wie das Bewahren. Neues und Altes erscheinen nicht als Gegensätze. Gerade in Berlin gab es früher aufwendig gestaltete Fassaden. Sie wurden während des Zweiten Weltkriegs und danach zerstört und durch schnörkellose glatte verputze Oberflächen ersetzt.
Rost scheint hier das Rad der Zeit etwas zurückdrehen zu können – aber auf seine Art: in bester handwerklicher Manier und mit Kreativität. Stuckfassaden werden nach alten Fotos rekonstruiert oder nach eigenen Entwürfen neu gestaltet. Dabei ist das Unternehmen nicht auf den Außenbereich festgelegt. Er verschönert und veredelt auch Innenräume. Der Stuck und Ornamente werden dabei in der eigenen Werkstatt hergestellt oder vor Ort modelliert und angetragen. Bei Planung und Entwurf bedient sich der Stuckateurmeister und Architekt moderner Technik wie 3D oder CAD.
Sebastian Rost ist sich über seine Sonderstellung bei den Stuckateuren gewiss – auch im Vergleich mit den anderen Teilnehmern beim Wettbewerb Stuckateur des Jahres. »Wir sind sehr stucklastig«, bestätigt er.
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3 Geschäftsführer Sebastian Rost (rechts) und Bauleiter Lorenz Papmahl, Stuckateur und Ingenieur (FH), auf der Baustelle des Humboldt Forums |
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4 Ein Teil der Mannschaft in der Staatsoper. Neben Stuckateuren werden auch Maurer und Bauhelfer beschäftigt |
Gute Mitarbeiter bleiben lange
Um diese Aufgaben in dem vorgegebenen zeitlichen Rahmen und auch in dieser Qualität stemmen zu können, braucht es gute Mitarbeiter. Viel Wert wird deshalb auf die Ausbildung und Nachwuchsförderung gelegt. Zurzeit lernen vier Auszubildende den Stuckateurberuf. Interessenten können während eines Praktikums in den Beruf hineinschnuppern. Vier bis zehn junge Leute im Jahr nutzen diese Möglichkeit. Bei deren Beurteilung hört der Chef auf die Meinung seiner Mitarbeiter. Auch ein »Freiwilliges soziales Jahr« im Unternehmen ist möglich.
Damit die Mitarbeiter auch im Unternehmen bleiben, wird viel dafür getan – und das offensichtlich mit Erfolg. »Wir haben keine Fluktuation. Das macht auch die Stärke der Firma aus«, sagt uns Sebastian Rost. Die selbst ausgebildeten Mitarbeiter bleiben lange im Betrieb. Auch nach einer zusätzlichen Ausbildung, wie zum Beispiel einem Studium, kommen sie zurück. Für gutes Betriebsklima sorgen gemeinsame Aktivitäten und das breite Angebot von Schulungen und Qualifizierungsmaßnahmen.
Sicherlich trägt auch dazu bei, dass das Unternehmen dank verschiedener Aktivitäten eine positive Außenwirkung hat – so zum Beispiel die Schau-Restaurierung an der Kuppel eines Modells vom Berliner Dom während der Internationalen Handwerksmesse in München und der Denkmalmesse in Leipzig. Oder der Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege 2010 und 2017.
Mitarbeiter Johannes Schroeter-Behrens wurde mehrfach für Informationskampagnen für die Ausbildung im Handwerk ausgewählt – auch wenn der studierte Prähistoriker und Stuckateur für die Firma Rost nicht der typische Mitarbeiter ist.
Rost legt Wert auf flache Hierarchien im Unternehmen . Die Kolonnen aus vier bis fünf Mitarbeitern agieren selbstständig. Sie bestellen selbst ihr Material und organisieren ihre Baustellen komplett allein. Der Bauleiter kommt zwar ab und zu vorbei, um nachzuschauen. Dabei stellt er meist fest, dass alles funktioniert. »Ich habe zu meinen Mitarbeitern großes Vertrauen«, gibt Sebastian Rost zu.

5 Die neu erschaffene Deckenleuchterkrone in der Berliner Staatsoper
enthält die Bühnentechnik und kann in der Decke versenkt werden
Vom Stuckateur zum Allround-Anbieter
Sein Interesse für Gestaltung hatte der Fachunternehmer schon in jungen Jahren entwickelt. Er, Jahrgang 1968, zeichnete und modellierte schon als Zehnjähriger. Seinen Berufswunsch als Lehrer für Kunst und Geschichte konnte er in der DDR leider nicht realisieren. Stattdessen ging er ins Handwerk und absolvierte beim VEB Denkmalpflege in Berlin die Ausbildung zum Stuckateur. 1993 – also nach Mauerfall und Wiedervereinigung – legte er die Meisterprüfung ab. Es folgte 1995 die Ausbildung zum staatlich anerkannten Restaurator im Stuckateurhandwerk auf Schloss Trebsen. Im gleichen Jahr machte er sich selbstständig und gründete zunächst ein Ein-Mann-Unternehmen. Dann kam noch ein Architekturstudium an der Universität der Künste Berlin hinzu, das er 2012 mit dem Diplom abschloss.
Das waren und sind gute Voraussetzungen dafür, breit aufgestellt im Markt zu agieren. Sein Stuckateurunternehmen bietet auch in Zusammenarbeit mit anderen Firmen schon ein breites Leistungsspektrum an: vom Gerüstbau bis zur Farbgestaltung. Noch mehr hat die Firmengruppe »Sebastian Rost Ornament und Architektur« zu bieten: sämtliche Bauleistungen unter einem Dach, vom Konzept bis zur Ausführung über den Bereich der Denkmalpflege hinaus. »Wir bauen auch schon einmal eine Wohnung um oder machen die Bauleitung. Also das komplette Programm!«, so Rost, der auch noch für die Landesgruppe Berlin/Brandenburg Sprecher der Restauratoren im Handwerk ist.
Mehr als Restaurierung
Unter diesen Voraussetzungen sind auch sehr anspruchsvolle und umfangreiche Aufgaben zu schaffen – wie eben die Berliner Staatsoper. Die jahrelange Sanierung hat viele Kapazitäten gebunden. Dabei ging es auch nicht immer nur um reine Stuckateurarbeiten, sondern auch um Logistik und Organisation. So musste zum Beispiel die Decke im Zuschauersaal in große Teile zersägt werden, die dann abgenommen und eingelagert wurden. »Und nach zwei Jahren haben wir diese Teile fünf Meter weiter oben wieder angehängt und verputzt, weil die Nachhallzeit der Oper verbessert und dazu das Raumvolumen vergrößert werden sollte«, erzählte Rost in dem Interview bei der »Tageszeitung«.
Ein Highlight war die Neuerschaffung der Deckenleuchterkrone in der Mitte des Zuschauerraums. Das Stuckelement sollte nach der Sanierung auch die Licht- und Tontechnik aufnehmen. Um dies zu ermöglichen, wurde die Bestandskrone in einer leichteren Version nachgebaut. Dies war nur mit einer Eigenentwicklung aus glasfaserverstärktem dünnen Gips und einer Stützkonstruktion aus Aluminium möglich.
Die Baustelle Staatsoper besuchte auch das Nationalteam der Stuckateure. Die jungen Leute staunten nicht schlecht, erinnert sich Sebastian Rost voller Stolz. Sie hätten so etwas noch nie gemacht und waren sehr beeindruckt.
pd
Ausgabe 07-08 / 2018
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