Lehm im Hotel

In Weimar wurde ein Hotel fast gänzlich aus Holz gebaut. Mehrere ­Zenti­meter Lehm und Wandheizungen sorgen für ein gutes Raumklima. Selbst die stark beanspruchte oberste Schicht ist ein feiner, farbiger Lehmputz.

Inmitten der Goethestadt Weimar lädt seit 2012 ein besonderes Hotel zum Verweilen ein. Das Familienhotel ­»Weimar« bietet elf Ferienwohnungen zwischen 22 und 72 Quadratmetern, ein Restaurant und einen Dachgarten. Das fast gänzlich aus Holz errichtete Gebäude verbindet moderne Architektur und ökologisches Bauen gekonnt miteinander. Der hohe ökologische Anspruch zeigt sich auch darin, dass die Wände aus gestapelten Brettern lösemittelfrei mit Alustiften verbunden sind. Der insgesamt fast vier Zentimeter starke Lehmputz auf den Innenwänden verbirgt die Wandheizungen und sorgt für ein ausgeglichenes Raumklima. Auch die Oberflächen sind aus farbigem Lehmfeinputz. Auf Kantenschutz wurde verzichtet und statt dessen die Möbel schützend aufgestellt. Der konstruktive Kern aus Stahlbeton ist mit Silikatfarbe gestrichen. Die Ostfassade erhielt einen Kalkputz.

Lehm auf Holz
Für die Verarbeitung der Lehmputze waren die Erfurter Lehmspezialisten von lehm-bau-kunst (www.lehm-bau-kunst.de) zuständig, allen voran Peter Multhauf. Eine Herausforderung war die Logistik - in der engen Gasse konnten höchstens drei der insgesamt 32 benötigten »Big Bags« gelagert werden. Gemischt wurde im ersten Raum des Gebäudes. Als Haftgrund tackerten die Lehmfachleute zuerst eine 70-stenge­lige Schilfrohrmatte auf die Wände. Der Abstand zwischen den 70 Schilfrohren je Meter ist so breit, dass Lehm ­zwischen die Rohre bis zum Holzuntergrund gespritzt werden kann. Zuvor wurden auf die Matten die Leitungen für die Wandheizung horizontal montiert. »Wichtig war eine gute Abstimmung mit dem Installateur der Wandheizung«, erzählt Lehmbauer Multhauf. Die Leitungen wurden so geführt, dass sie alle Bereiche erreichen. Wenn etwa ein Sturz über der Türe keine Heizleitung erhält – oder sei es nur eine – dann trocknet der insgesamt fast 4 cm starke Putz dort lange nicht.

Verarbeitung Unterputz
Mit einer PFT Swing L förderte Peter Multhauf das erdfeuchte, im 300-Liter-Zwangsmischer vorbereitete Gemisch aus Lehm und Stroh zu den Arbeitsflächen. Dort spritzte er es relativ dünn bis in alle Zwischenräume. Der Holz­untergrund sollte dabei nicht zu lange nass werden. Deshalb trug er nicht mehrere Zemtimeter auf einmal auf. Dieser Vorspritz wurde nicht abgezogen, so dass er eine große Oberfläche behielt. Zum Trocknen wurde die Heizung eingesetzt und quergelüftet. Die Wandheizung wurde auf zirka 32 °C zügig hochgefahren. Die Rohre dürfen sich dabei ausdehnen und schaffen sich den Platz im Putz, den sie später benötigen. Dann konnte die bearbeitete Etage trocknen, während es darunter weiterging. Gearbeitet wurde im Februar, von der obersten Etage bis in die unterste. »Das ging wunderbar und war schnell trocken«, freut sich Peter Multhauf. Im nächsten Arbeitsgang putzte er die 16 mm starken Wandheizrohre fertig ein, zog den Putz auf den Rohren ab und bettete ein kunststoffummanteltes ­Armierungsgewebe mit 10 mm ­Maschenweite ein, so dass das Gewebe ganz von Putz bedeckt war. Wieder heizte und lüftete er, bis der Putz trocken war. Bei dieser Schicht ist es wichtig, dass nicht zu heiß geheizt wird. Sonst würde sich der Putz in seinem Saugverhalten verändern und das würde sich bis auf die Oberfläche abzeichnen. Beim anschließenden Trocknen schwand der Putz ein wenig. ­Danach egalisierten die Lehmfachleute die Flächen bis zirka 7 mm über die Heizrohre mit feinem braunen Grundputz. Damit war die Putzschicht insgesamt 3,5 bis 3,8 cm stark geworden.

Farbe oder Lehmputz
Nach dem Antrocknen, als die Putzfläche vom nass-glänzenden in den feucht-matten Zustand überging, ­wurde sie mit einem Schwammbrett bis zu einer malerfertigen Oberfläche ­gefilzt – diesmal ohne Heizen. Jetzt hätte ein Anstrich kommen können. So war es ursprünglich geplant. Da aber der Bauherr Anselm Graubner inzwischen Gefallen an dem ­Material ­bekommen hatte, freute er sich über ­eine abschließende Schicht aus 2 mm Edelputz. »Was hier zählt, ist die Oberfläche!«, bekräftigt Peter Multhauf die Entscheidung.

Schöne Oberfläche
Der farbige Lehmfeinputz besteht nur aus farbigen Sanden und Tonen. Eine Raumgestalterin entwarf eine Farb­palette für das ganze Haus. Die Farb­töne sind hell, aber deutlich erdig. ­Sattere Töne wählte sie für den Restaurantbereich.
Nachdem auch die Gipsfaserplatten der innen liegenden Trennwände mit Silikathaftgrundierung vorbereitet worden waren, zogen die Lehmbauer auf alle Oberflächen den Feinputz mit dem Glätter auf. Nach dem Abziehen und dem Antrocknen der Putzfläche wurde ein grobes orangenes Filzbrett eingesetzt. Nach dem Antrocknen – der Putz durfte nicht hell werden – filzten sie ein weiteres Mal und machten die Oberfläche so feiner. Nach dem Durchtrocknen entfernten sie lose Körner mit einer Bürste und rieben die Oberfläche weich ab. Da die letzte Lehmschicht recht dünn ist, sie aber gleichmäßig bearbeitet werden soll, muss sie auch gleichmäßig trocknen. Dabei waren Durchzug und Heizung ­tabu. Nach dem Ende der Arbeiten wurde wieder moderat gelüftet.

Schabloniertechniken
Auch die Schabloniertechniken wurden in Lehmfeinputz ausgeführt. Eine der Schablonen war gut einen Quadrat­meter groß. Sie wurde eigens für das Hotel entworfen und geschnitten. Eine weitere verbindet anschaulich die ­Materialien Holz und Lehm: Ein Schriftzug in Holzbuchstaben zieht sich über ein Blatt aus Lehmfeinputz. Das Ergebnis sind angenehm gestaltete und wohl­temperierte Räume, die zusammen mit den eigens entworfenen Möbeln zum Entspannen und Erholen einladen.

Achim Pilz,
Fachjournalist

Abbildungen: 1+2: Familienhotel Weimar/Appleby; 3+4: Multhauf                                                                Ausgabe: 11/2013