Verträglichkeit als Kriterium

Für die Wärmedämmung steht heute im Handel eine Vielfalt an Wärmedämmstoffen
zur Verfügung, die insbesondere unter dem Aspekt ihrer ökologischen und hygienischen ­Verträglichkeit zu ­beurteilen sind. Hier ein Überblick.

Grundsätzlich sollte man nur Dämmstoffe verwenden, die eine baurechtliche Zulassung haben. Andernfalls kann es Ärger mit den Aufsichtsbehörden und im Schadensfall mit der Versicherung und schließlich mit der Gewährleistung geben. Ein zusätzlicher Hinweis auf die Qualität ist die Güte­überwachung durch eine Materialprüfanstalt.
Wärmedämmstoffe können in unterschiedliche Anwendungsgebiete nach DIN 4108-10, Juni 2008, Lieferformen (Platten, Filz oder Matten, Schüttungen, Material zum Einblasen oder Folien), Abmaßen, in verschiedener Steifigkeit und Wärmeleitfähigkeit geliefert ­werden. Für die nachträgliche Wärmedämmung ist zunächst das Anwendungsgebiet entscheidend. Um die Dämmstoffe ­entsprechend dem Einsatzgebiet, ­Wärmedämmung beziehungsweise Trittschalldämmung, besser ­zuordnen zu können, unterschied man früher ­Anwendungstypen.
Im Zuge der Vereinheitlichung der ­nationalen Normen auf einen einheit­lichen europäischen ­Normenkatalog, wurden auch die ­Anforderungen an die Wärmedämmstoffe neu definiert. Die neue Normung erlaubt eine bessere ­Zuordnung der Dämmstoffe zu den ­jeweiligen Einsatzgebieten und gibt gleichzeitig Eigenschaften an.

Verschiedene Lieferformen
Dämmstoffe müssen mit folgenden ­Informationen ausgezeichnet sein:
• Benennung, zum Beispiel Faserdämmstoff oder Leichtbauplatte
• Norm-Hauptnummer, beispielsweise DIN EN 13162 vom Januar 2004
• Stoffart, zum Beispiel Mineralfaser
• Lieferform P=Platte, B=Bahn, F=Filz, M=Matte
• Anwendungsgebiet, zum Beispiel WAB = Außendämmung der Wand hinter Bekleidung (Tabelle 2, Anwendungs-gebiete von Dämmstoffen)
• Wärmeleitfähigkeitsgruppe, beispielsweise WLG 040
• Brandverhalten, zum Beispiel A2
• Nenndicke in mm
• Übereinstimmungszeichen (CE- und Ü-Zeichen): Eine Art »TÜV-Zeichen«, das zeigt, dass der Dämmstoff den ­betreffenden technischen Regeln entspricht und einer laufenden Kontrolle und Überwachung unterliegt und innerhalb der EU gehandelt werden darf.

Der Baustoffhandel bietet Wärmedämmstoffe in verschiedenen Liefer­formen an.
Wie die Tabelle 1 (Überblick über Dämmstoffe) zeigt, ­würde die ­Beschreibung und Beurteilung aller Wärmedämmstoffe den hier zur Ver­fügung stehenden Raum bei Weitem überschreiten. Deshalb seien hier aus der Vielfalt nur die Folien­systeme heraus­gegriffen.

Foliensysteme
Bei den in der Tabelle 1 genannten herkömmlichen Wärmedämmstoffen steht die Wärmeleitfähigkeit l nur bis knapp unter 0,035 W/m·K zur Verfügung. Dies deshalb, weil die Wärmeleitung des im Wärmedämmstoff enthaltenen ­ruhenden Gases, zumeist Luft, sich nicht ­unbegrenzt reduzieren lässt. Aus diesem Grund hat man Foliensysteme entwickelt.
Foliensysteme mit einer Infrarot reflektierenden Beschichtung, kurz Folien mit IR-Reflexion, funktionieren nach ­folgendem Prinzip: Durch mehrere ­Lagen von Folien mit dazwischen ­liegenden Vliesen oder Luftpolstern wird eine ruhende Luftschicht erzeugt. Der langwellige Strahlungsaustausch wird durch Infrarot reflektierende ­Beschichtungen reduziert. »Die energetischen Vorteile der IR-Reflexion hängen von verschiedenen Faktoren, beispielsweise Temperaturniveau, Einbau­situation, oder ­R-Wert des Bauteils ab und sind bislang nicht allgemeingültig quantifizierbar. Die Folien sind als Alternative bei der Wärmedämmung nur sehr bedingt zu empfehlen, da die ­angegebenen Dämmwerte oft nicht ­erreicht werden und die Dampfdichtheit problematisch ist.« (Künzel, Fraunhofer Institut für Bau­physik)

Vakuum-Isolationspaneele VIP
Besonders geringe Wärmedämmdicken ~ 2,0 cm können durch Einsatz der ­Vakuum-Isolationspaneele VIP erreicht werden, die derzeit schon praktisch zur Anwendung kommen. Die Vakuum­dämmung besitzt einen zweiseitig mit hochgasdichter Hüllfolie beklebten ­Vakuumkern. Anfangs bestanden die Hüllfolien aus mit herkömmlichen ­Aluminiumfolien kaschierten Kunststofffolien. An den Stoßkanten der ­Platten entstanden jedoch Wärmebrücken. Deshalb werden die VIP-­Platten heute zumeist in metallisierte »Hochbarrierelaminate« verpackt. Es handelt sich dabei um Polymerfolien, die mit Aluminium, Aluminiumoxid oder Siliziumoxid bedampft werden. Dabei entsteht allerdings das Problem, dass die Barriereschichten nicht fehlerfrei aufgetragen werden können. Infolgedessen müssen, um ein dauerhaftes­ ­Vakuum zu sichern, stets mehrere Folien übereinander gelegt werden.
Heute bestehen die Kerne der VIP aus pyrogener Kieselsäure. Das Material setzt sich aus Milliarden kleinster ­Kugeln in der Größe von ungefähr 100 Nanometer zusammen, die sich gegenseitig nur punktförmig berühren. Daher wird die Wärme nur geringfügig durch Wärmeleitung übertragen. Die Luft in den Kügelchen kann sich kaum bewegen und überträgt deshalb auch durch Konvektion nur wenig Wärme. Dieser Effekt wird durch Anlegen eines Vakuums spürbar gesteigert, denn mit ­sinkendem Druck befinden sich immer weniger Luftmoleküle in den einzelnen Kügelchen, so dass sie seltener kollidieren. Der Druck kann so niedrig gehalten werden, dass ein Luftmolekül das ganze Kügelchen durchquert, ohne ein anderes Teilchen zu treffen. Schon bei einem Unterdruck von rund 10 Millibar, einem sogenannten Grobvakuum, findet überhaupt kein Wärmetransport durch ­Konvektion mehr statt. Im Laufe der Jahre reduziert sich freilich das Vakuum, die Dämmwirkung lässt stark nach. Die VIP-Platten müssen außerdem bei der Sanierung einer Wand bereits in der ­Fabrik passend für das Gebäude vor­gefertigt werden, denn sie lassen sich wegen der Verletzungsgefahr nicht auf der Baustelle zuschneiden. Um beispielsweise eine Gaubenwand mit einer dünnen VIP-Platte zu dämmen, muss vorher eine Schablone angefertigt ­werden, damit die Platte passgenau im Werk hergestellt werden kann. Durch die gute Dämmwirkung des Vakuumkerns wird die Wärmeleitfähigkeit auf 0,004 – 0,008 W/m·K gesenkt, also bis zu zehn Mal weniger als bei herkömm­lichen Dämmstoffplatten, so dass die Paneele zum Beispiel hervorragend ­geschützt an Brüstungselementen auf Dachterrassen und Balkonen eingebaut werden können. VIP ist besonders geeignet für die Fassadendämmung, allerdings im Zusammmenhang mit einem Wärmedämmverbundsystem liegt noch zuwenig baupraktische Erfahrung vor.

Vacuum Insulation Sandwiches
Ein besonders wichtiger Vorteil einer VIP-Dämmung ergibt sich dann, wenn das Gebäude auf einem kleinen Grundstück sitzt und eine herkömmlich dicke Dämmung die Grundstücksgrenzen überschreiten würde. Die Vakuum-­Dämmung erweitert also spürbar den nutzbaren Raum auf dem kleinen Grundstück. Dies trifft selbstverständlich auch für die Altbausanierung zu, wenn der Altbau mit seiner Außenwand direkt auf oder knapp neben der Grundstücksgrenze sitzt, wie das in einer Altstadt häufig vorkommt.  
Um ähnlich dünne Wärmedämmstoffe handelt es sich bei den Vacuum Insulating Sandwiches VIS. Bei ihnen befindet sich der Stützkern in einem Edelstahl­kasten. Bei beiden Systemen wird dem Stützkern die Luft entzogen, so dass ein Vakuum entsteht. Anders als beim VIP lässt sich bei einem VIS nahezu jede Geometrie realisieren. Außerdem lassen sich relativ mühelos andere Deckmaterialien applizieren und zur Verein­fachung für spätere Anschlusskonstruktionen Schraubbolzen aufschweißen.

Fußbodendämmung
Ein hervorragend geeignetes Anwendungsgebiet im Altbaubereich für VIS ist wegen der Robustheit der Edelstahlhülle die Fußbodendämmung. Nicht allzu ­selten besteht in Altbauten das ­Problem, dass die erforderlichen Dicken der Dämmstoffe durch die zu niedrige Raumhöhe ausgeschlossen sind. Bei ­einer Sanierung kann die Vakuumdämmung mit Einbaudicken von 20 mm ­unter dem neu erstellten Estrich die ­gesetzliche Anforderung nach EnEV 2009 problemlos erreichen, ohne die bestehende Gesamtaufbauhöhe des ­alten Fußbodens heraufzusetzen. ­Müssten dagegen alle Treppen und ­Türstürze bei einer erhöhten Dämmung an die Höhe des neuen Fußbodens ­angepasst werden, lägen die Kosten der Sanierung weit über den Kosten der ­Vakuumdämmung VIS. Durch einen Trockenestrich über einer Vakuum­dämmung kann eine bis zu wenigstens fünf Mal bessere Wärmedämmung ­gegenüber herkömmlichen Estrich­dämmungen erzielt werden, ohne den Wohnraum und dessen Qualität einzuschränken, freilich nur solange das ­Vakuum bestehen bleibt.
Einschränkungen für die Anwendung ­ergeben sich aus der Tatsache, dass ­entsprechende Dämmplatten nicht auf der Baustelle zugeschnitten werden können und gegen mechanische ­Beschädigung geschützt werden ­müssen. Die aneinander stoßenden ­Plattenränder stellen in der Regel ­Wärmebrücken dar. Die technologische Herausforderung besteht derzeit darin, für die Praxis geeignete Systeme zu entwickeln, dabei den Aufwand jedoch in bezahlbaren Grenzen zu halten, denn zur Zeit kosten VIP zirka100 Euro pro Quadratmeter.



Dr. Josef Maier (Jg. 1945), Dipl.-Ing. (FH); Dr. phil.; Architekt und Kunst­historiker; Abteilungsleiter im Fortbildungszentrum für Handwerk und Denkmal­pflege (Fulda) und Lehrbeauftragter an der FH Nürnberg. Seit 1991 freischaffender Architekt und Bau­forscher. Er ist unter ­anderem Autor des Handbuchs ­Histo­risches Mauerwerk, Untersuchungsmethoden und Instandsetzungsverfahren.

Literatur:
­Josef Meier, Energetische Sanierung von Altbauten, Fraunhofer IRB-Verlag Stuttgart 2011, 2. erweiterte Auflage.

Abbildungen: 1-4: Meier; Variotec Gmbh                                                                    Ausgabe: 2/2012