
Andiamo!« Auf geht’s! Mit diesen aufmunternden Worten haben sich die jungen Deutschen motiviert.Jeden Morgen, wenn sie in Italien gut gelaunt zur Arbeit gingen. Mariana Schütterle lacht, sie hat die italienischen Wortfetzen heute noch im Ohr. Drei Monate lang hat die 20-jährige Stuckateurgesellin aus Waldshut in Italien gelebt und historische Fresken freigelegt–als Teilnehmerin des Volterra-Projekts.
Seit 1999 haben in Volterra mehr als 300 Teilnehmer des Austauschprojekts, das bis 2015 noch »Leonardo da Vinci« hieß,erste berufliche Auslandserfahrungen gesammelt.
![]() |
2 Mark Steiger bei der Sanierung im Etruskischen Museum. Fotos:Hwk Stuttgart |
Die Junghandwerker arbeiten beispielsweise bei der Sanierung des etruskischen Museums, der Sanierung des»Alten Krankenhauses« oder in örtlichen Handwerksbetrieben mit. Vertreten waren in diesem Jahr zwei Stuckateure,das Konditorenhandwerk, die Gewerke Anlagenmechaniker Sanitär Heizung Klima (SHK),Maler und Lackierer,Metallbauer,Schreiner, Zimmermann sowie erstmalig Dachdecker, Fleischerei-Fachverkäufer und Fleischer. Auch Mark Steiger,der 20-jährige Stuckateurgeselle aus Gründelhardt, Stuckateurbetrieb Kolb,war mit dabei.Den Gesellenbrief hatten er und Mariana Schütterle gerade in der Tasche, da startete auch schon das»Abenteuer Volterra«mit einem gemeinsamen Vorbereitungswochenende in Stuttgart, bevor die jungen Handwerker nach Italien reisten. Dort stand zunächst ein vierwöchiger Sprachkurs auf dem Programm, bei dem sprachliche und kulturelle Kommunikationsbarrieren gefallen sind, so dass sich die Gesellen mit italienischen Kollegen austauschen konnten.»Zur Vorbereitung habe ich schon in Deutschland einen Italienischkurs besucht. Ich dachte, das kann nicht schaden«, so Mariana Schütterle.
Stuckoptik mit Schablone
Wegen der spektakulären landschaftlichen Umgebung gilt die Stadt Volterra
als eine der schönsten Städte der Toskana.Sie liegt etwa 50 Kilometer entfernt von Pisa und vom Mittelmeer und hat rund 11 000 Einwohner. Die Stadt hat eine jahrhundertealte Geschichte.
![]() |
3 Mit Hammer, Spachtel und Skalpell befreite Mariana Schütterle historische Gewölbe von Farbe. Fotos:Hwk Stuttgart |
Der Glockenturm des zentralen, mit mit-telalterlichen Fresken verzierten Palazzo dei Priori bietet einen Panoramablick über die Stadt. Der Domvon Volterra verfügt über einen Marmoreingang und eine vergoldete Kassettendecke. In der Nähe befinden sich die Überreste der etruskischen Akropolis. Im Museo Etrusco Guarnacci ist eine umfangreiche Sammlung archäologischer Funde zu sehen. Bei der Sanierung des Etruskischen Museums halfen Mariana und Mark mit. »Wir haben Fresken aus dem 17. Jahrhundert freigelegt«, erzählt die Junggesellin. »Das fand ich sehr beeindruckend.« Dabei musste viel Geduld aufgebracht werden, denn die Fresken wurden Schicht für Schicht in Handarbeit freigelegt. »Fünf Wochen habe ich Wände abgekratzt«, erzählt Mark Steiger. Dann erzählt er begeistert , wie er ein Gewölbe ziemlich aufwendig von der Farbschicht befreite. »Das Skalpell war mein ständiger Begleiter.« Anschließend wurden die Fehlstellen restauriert und fachgerecht verputzt. »Wir haben es so wiederhergestellt wie im Originalzustand «, so Steiger.
Teamwork und Koordination
Angeleitet wurden die beiden Stuckateure von einer italienischen Restauratorin.
Dabei lernten sie die Oberflächengestaltung in Stuck-Optik kennen. Mit selbst gefertigten Schablonen gelang es, die alten Muster wieder aufleben zu lassen.
»Wir haben zum Beispiel ein Stuckfries aufgemalt, das aussieht wie gezogener Stuck. Die Farbtöne wurden nach dem Auge selbst gemischt. Dabei haben uns eine Malergesellin und ein Malergeselle aus dem Volterra-Projekt unterstützt, die ebenfalls im Museumarbeiteten«, so Steiger. Eine ganz neue Erfahrung war für ihn das Teamwork und die Koordination innerhalb der Gruppe. Mark: »Das hat in den allermeisten Fällen gut funktioniert. Nur war ich es bisher nicht so gewohnt,mit mehreren Kollegen zusammenzuarbeiten. Im elterlichen Betrieb bin ich mit meinem Vater allein unterwegs.«
Spaghetti nach Feierabend
Doch die Junghandwerker haben nicht nur zusammen gearbeitet. Sie haben auch gemeinsam in einer alten Villa, etwas außerhalb der Stadt, gewohnt. Auf dem Plan stand gemeinsames Kochen, der Haushalt wurde im Teamorganisiert und es wurde gefeiert. Beeindruckend war die italienische Gastfreundschaft, mit der die Projektteilnehmer aufgenommen wurden. »Der Bürgermeister von Volterra brachte uns Süßigkeiten« erinnert sich Steiger. Viel zu entdecken gab es in der Freizeit: Pisa, Florenz und ein Abstecher nach Rom sorgten für Abwechslung. Ein
Wochenende ging es nach Mailand. Neben der Erkundung des Mailänder Nachtlebens stand Sightseeing auf dem Programm. Gut gefiel den Stuckateuren, dass sie im ganzen Städtchen bekannt und willkommen waren.
![]() |
4 Mark Steiger: »Das Skalpell war mein ständiger Begleiter.« Fotos:Hwk Stuttgart |
Projekt existiert seit 1999
Nach der Rückkehr aus Italien ziehen sie ein positives Fazit: »Das war schon cool«, sagt Mariana Schütterle. Mark Steiger kann das bestätigen. »Kein Termindruck, das war entspannend und lockerer als auf deutschen Baustellen.« Weiterempfehlen können die Nachwuchshandwerker das Lernprojekt auf jeden Fall. »Man sollte sich das ruhig zutrauen. Zumal die Lehrer gut sind. Und die Umgebung von Volterra ist super«, so Steiger. Seit 1999 organisiert die Handwerkskammer Region Stuttgart das Volterra-Projekt. Die EU und die Handwerkskammer unterstützen die Teilnehmer finanziell. Mariana Schütterle, die 1. Kammersiegerin und zweifache Preisträgerin (beste Schülerin an der Gewerbeschule Schopfheim und Baden-Württemberg) ist, absolvierte ihre Gesellenprüfung bei der Firma Bäumle in Murg.Inspiriert durch das Volterra-Projekt möchte sie künftig ihren beruflichen Schwerpunkt »Richtung Restauration als Stuckateurin legen und mich dazu neu ausrichten.« Für Mark Steiger ist auf jeden Fall klar: »Mein Italienisch gebe ich nicht auf. Die Sprachkenntnissewerde ich in Deutschland vertiefen.«
Artikel als PDF herunterladen
Bilder aus dem Artikel: